Inspiriert von Sati's Blogeintrag über die Magische Praxis im Kemetismus gehe ich heut näher darauf ein, wie ich die Kluft zwischen Magie und Religion wahrnehme. Als ich mit dem Heidentum begann vor einigen Jahren, erschien es mir wie eine Ansammlung verschiedenster Techniken der Magie. Viele empfohlen Bücher als Beginn, die Kochbüchern glichen. „Wenn du Liebeskummer hast, mach Zauber XY“. In einigen der Zauber kamen auch Götternamen vor, die ich teilweise aus der Mythologie kannte. Oft wurden diese Namen verwendet, weil „diese Gottheit zuständig ist für Liebe und Leidenschaft“. Im nächsten Zauber war es wieder eine andere Gottheit aus einer ganz anderen Kultur. Das war nett, aber doch nicht ganz das was ich suchte. Ich wollte diese Gottheiten näher kennenlernen, eine Beziehung aufbauen.

Dieser Wunsch führte mich schließlich zum ADF. Zu Beginn glaubte ich allerdings, dass Magie und Religion nicht so gut zusammen passen würden. Eine verbreitete Ansicht. James Frazer teilt in seinem bekannten Werk "The Golden Bough" Magie und Religion strikt voneinander. Er definiert sie folgendermaßen:

Für die Magie ist keine Gottheit nötig. Der Magier unterwirft sich nicht. Er ist ganz angewiesen auf sein Handwerkszeug, seine Formeln, Zutaten, die den Erfolg garantieren. Ein erprobter Zauber funktioniert immer auf gleiche Weise, es sei denn ein stärkerer Magier arbeitet dagegen (Frazer, 48). Magie ist es aber auch, wenn der Magier sich die Gottheit zum Sklaven macht, sie unterwirft, ihr seinen Willen aufzwingt, sie ausnutzt, durch Drohungen. Er behandelt die Gottheit wie einen Gegenstand (Frazer, 51f). Der Magier zieht die Gottheit auf die menschliche Ebene herab, und stellt sich über sie.

Religion ist die Verehrung einer Gottheit, die höhere göttliche Ebene wird anerkannt und der Priester unterwirft sich ihr ganz. Er kann in Gebeten um die Gunst der Gottheit betteln, ist ihr aber auf Gedeih und Verderb ausgeliefert (Frazer, 51). Magie vermischt mit Religion, also Magie durch Gebet und Opfergabe, sieht er als Ausnahme (Frazer, 48) und „Verwirrung der frühen Kulturen“. Er nennt die Verwendung von Magie im Ritus „inkonsistent“ (Frazer, 52). Für Frazer muss Magie von Religion getrennt werden. Dies ist eine recht neuzeitliche Sichtweise und geht vor allem auf die christliche Theologie zurück. Gott als Allmächtiges Wesen bestimmt über das Leben der Menschen, verteilt Gutes und Schlechtes und prüft damit seine Anhänger. Dies ändern zu wollen mittels Magie, statt sich gottergeben in sein Schicksal zu fügen, ist nicht gewollt. Also kehren sich spätestens die Protestanten von Magie ab und verteufeln sie.

Wie sieht es in der Antike aus, war die Vorstellung der indoeuropäischen Völker vor der Christianisierung tatsächlich so schwarz-weiß? Wir wissen von Gottheiten, die bekannt sind für ihre Magie. Freya, sinnliche Göttin im Falkengewand, lehrte Odin einst das Zaubern. Die Seidr-Kunst, die sie lehrte, umfasste Trance-Arbeit, Kräuterwissen und Runenmagie. Zauberpriesterinnen wendeten diese Kunst an. Sie konnten Feinden Alpträume schicken, sich verwandeln, Jagdbeute anlocken und in die Zukunft sehen (Lafayllve, 34f.).

Manannán mac Lìr, der gälische Gott der See und Herr der Pferde, war einer der größten Zauberer der Tuatha Dé Danann. Er kann verwandeln, Illusionen erzeugen, Nebel rufen, tausend Dinge in einem kleinen Beutel aufbewahren und über die Wellen reiten, als wären sie eine Straße. Im Krankenlager Cuchulains (Serglige Con Culainn) lässt er seine Frau ihre Affäre vergessen durch das Schütteln seines magischen Mantels.

Im Ogham, dem irischen Alphabet, gibt es ein Zeichen dass für Transformation und Magie steht (Straif). Diesem Zeichen werden die Beschreibungen „Suchen von Wolken“, „Wachsendes Geheimnis“ und „stärkstes Rot“ zugeordnet. Das Suchen von Wolken deutet auf Weissagung hin mittels Rauch oder Wolken. Das wachsende Geheimnis kann ein Hinweis sein auf okkulte Praxis. Das stärkste Rot weist uns vielelicht auf die Verwendung von rotem Ocker in heiligen Riten hin. Bekannt sind aus den Mythen die Fer Dearg (rote Männer). Die Druiden im alten Irland waren sowohl Magier als auch Priester in Personalunion, sie konnten die Götter besänftigen aber auch magische Nebel erzeugen oder sich und andere in Tiere verwandeln, ganz wie Manannán.

Wie schaut es nun bei uns als moderne Heiden und Druiden aus? Wie betrachten wir Magie und Religion? In der Standardliturgie unseres Druidentums (ADF) verschmelzen Magie und Religion. Die Magie ist uns Handwerkszeug, von vornherein weder positiv noch negativ, mit der wir unser Ritual zur Verehrung der Kindreds unterstützen. Ich möchte kurz auf die einzelnen Schritte im Ritual eingehen, so wie sie im Clan der grünen Mutter verwendet werden. Unser Fokus ist Gälisch, einzelne Schritte können in anderen Herzenskulturen und anderen Hainen auch anders gehandhabt werden. Die Reinigung zu Beginn des Rituals ist der erste magische Schritt, wir reinigen uns, alle Anwesenden und den Ort durch (magisch) geheiligtes Wasser und Rauch, dessen Magie von den Kräutern stammt, die wir verräuchern. Die ihnen und dem Wasser innewohnende Magie und Wirkung verschmilzt mit unserer, um die Reinigung gelingen zu lassen. Wir arbeiten Hand in Hand. Dieses Prinzip setzt sich fort. Gemeinsam erschaffen wir den Kosmos (wieder), bestätigen damit die göttliche Ordnung, helfen somit den Kindreds, die Ordnung zu erhalten. Dabei werden Quelle, Baum und Feuer anerkannt, wahrgenommen und durch magische Gesten erweckt. Indem wir Haselnüsse in eine Schüssel mit Wasser werfen, verwandeln wir sie (magisch) in die zentrale Quelle Irlands in Uisnech und jeder Spritzer der Haselnüsse trägt Inspiration in die Welt. Ist Ordnung in der Welt können wir die Tore öffnen, die sich in Feuer, Quelle und Baum verbergen. Wir verbinden unsere Magie mit einer Wesenheit, dem Torhüter, und gemeinsam mit ihm oder ihr öffnen wir die Tore in die Anderswelt. Wieder ein magischer Akt, der uns hilft, unsere Verehrung, unsere Stimmen, Opfergaben und Zuneigung in die Anderswelt zu tragen. Man könnte jetzt darüber diskutieren, inwieweit die Verwandlung von alltäglichen Dingen in Opfergaben durch Unbrauchbarmachen und die Befragung der Kindreds mittels Divination Magie ist. Überspringen wir diesen Teil. Der nächste Schritt ist der Segen. Wir lassen den Segen der Kindreds fließen in einen Kelch mit Wasser, Whisky, usw. Die Energie geht von den Kindreds aus, wir lenken sie durch unseren Willen. Der darauf folgende magische Akt ist wieder eine Zusammenarbeit zwischen den Kindreds und uns. Was auch unser Vorhaben ist, wir werden unsere uns innewohnende Magie mit der einer Gottheit verschmelzen, um das gewünschte Resultat zu erzielen.

Diese Zusammenarbeit, dieses auf einer Ebene arbeiten, mit gegenseitigem Respekt, basiert auf zwei sehr wichtigen Grundlagen unseres Druidentums (ADF):

  • *ghosti: Die verpflichtende Beziehung zwischen Gast und Gastgeber, kurz zusammengefasst als "Ich gebe, so dass du gibst.". Ein stetiger Fluss von Energien, die zwischen beiden Parteien fließen, um die Bindung zu festigen. Dies ist ein uraltes Prinzip und findet sich noch heute in unserer Kultur. Wir beschenken uns gegenseitig zum Geburtstag, zu Weihnachten, zur Hochzeit. Wenn wir jemand besuchen, bringen wir Kuchen oder Blumen mit. Lädt uns jemand zu seinem Geburtstag ein, haben wir das Bedürfnis, denjenigen auch zu unserem einzuladen. Es steckt immer noch in unserer Kultur. Früher knüpften Clans Bande der Freundschaft und des Friedens durch gegenseitige Geschenke, Ehen unter den Kindern und sogar den Austausch von Kindern.
  • Götter und Göttinnen sind eigenständige, fehlbare Wesen mit eigenem Antrieb, eigenen Interessen und eigenen Grenzen (sogenannter harter Polytheismus). Sie sind nicht Aspekte eines allgegenwärtigen, allwissenden, omnipotenten Urwesens. Sie haben ihre Spezialisierungen, Eigenheiten, Vorlieben, die sie mit uns gemeinsam ausleben und umsetzen wollen. Durch Anwendung des *ghosti-Prinzips bauen wir eine Beziehung zu Ihnen auf und können unsere Interessen mit der Hilfe der Götter realisieren.

Unser Druidentum erscheint von außen oft wenig magisch und viele, die neu zu uns kommen, vermissen die Magie, wie sie z.B. im Wicca oder Hexentum präsent ist. Vertieft man sich allerdings ein wenig in die Arbeit mit der Ritualgrundstruktur stellt man schnell fest, dass sie durchwirkt ist von magischen Akten. Zusätzlich kann in jedem Ritual und auch außerhalb davon Magie verwendet werden, um sich selbst und anderen zu helfen. Wettermagie, Heilungszauber, Sprüche und Zauber für Wohlstand, Arbeit und Glück sind ebenso Repertoire des Druiden.

 

Quellen:

Georg Luck: Magie und andere Geheimlehren in der Antike. Kröner Verlag, 1990.

Sir James Frazer: The Golden Bough. Wordsworth Reference, 1993.

Patricia M. Lafayllve: Freya, Lady, Vanadis: An Introduction to the Goddess. Outskirts Press, 2006.

Anmelden