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Die Hitze brachte sie fast um.

Sie, und Tausende von anderen Menschen, die bei 35 Grad wie sie arbeiten mussten. Sie trug ein hauchdünnes knallrotes T- Shirt mit V- Ausschnitt, dessen Rücken schweißnass getränkt war. Ihre eng anliegende Jeanshose rubbelte an ihren schlanken Beinen, und schmerzten sie. Ihre rechte Hand langte zu einem kleinen Handtuch, das sie aus ihrer Handtasche, die in der Nähe ihrer Kabine war, holte; und trocknete sich, nachdem sie ihre randlose Brille abgesetzt hatte, ihr ovales Gesicht ab, nachdem sie ihre langen schwarzen Haare nach hinten geworfen hatte.

Die Tür des Umkleideraumes öffnete sich, und eine korpulente Frau erschien.

„Frau Finke, würden sie bitte nach vorne in den Laden kommen? Wir brauchen sie ganz dringend!“

„Einen Moment noch“, sagte die Angesprochene, und kämmte ihr Haar mit wenigen Bewegungen durch, zog mit braunem Lippenstift ihre Lippen nach; und prüfte im großen Wandspiegel den Sitz ihres schwarzen Kostüms, das alle Angestellten der Boutique tragen mussten.

Sie öffnete die Tür.

Der Laden war brechend voll, trotz der Hitze!

Göttin, auch das noch, dachte sie. Wie soll ich diesen Tag nur über die Runden bringen bei dieser Hitze und der stickigen Luft! Und erst der Stress von den Kunden! Nee, am besten wäre es, wenn ich wie in der Schule Hitzefrei bekommen würde!


Sie lächelte.

Da könnte ich lange drauf warten, sinnierte sie. So arbeitnehmerfeindlich, wie meine Chefin, die Diktatorin ist, wird das erst geschehen, wenn alle Politiker ehrlich geworden sind!

Sie ging auf eine dicke, ältere Frau zu, die an einem Kleiderständer stand, und versuchte, ein passendes Kleid für sich zu finden.

„Kann ich ihnen behilflich sein, gnädige Frau“, fragte sie freundlich?

„Sie können, junge Frau“, erwiderte die Kundin, und hielt ein leichtes grünes Sommerkleid hoch, das, wie sie auf den ersten Blick sah, mindestens zwei Konfektionsgrößen zu klein für die Frau war.

„Sagen sie, haben sie das Kleid auch eine Nummer kleiner für mich?“

Kleiner?

Ja meint diese menschliche Miss Piggy denn, sie hätte eine Figur wie ein Modell? Aber wenn sie meint?

„Aber selbstverständlich, gnädige Frau“, erwiderte sie mit einer festen Stimme, die nur mühsam ein leises Grinsen unterdrücken konnte. „Soll ich es ihnen gleich holen?“

„Tun sie das, mein Kind“, sagte die Kundin. „Und legen sie es mir gleich zur Anprobe hin“.

Anprobieren will sie das auch noch? Und wenn eine Naht reißt, oder sie darin wie eine eingewickelte Roulade aussieht? Wer kriegt von der Kundin dafür die Schuld? Sie und ihre eitle Selbstüberschätzung, oder ich? Darüber brauch ich gar nicht erst nachzudenken! Natürlich ich!

Sie holte das Kleid aus dem Lager.

Ihre Kollegin Karin, die das Gespräch mit ihrer Kundin mit angehört hatte, blickte sie mitleidig an. Deren langen blonden Haare, die sie nach hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, wippten bei jeder ihrer Bewegungen hin und her.

„Sag ihr doch einfach, das ihr Kleid in dieser Größe nicht mehr da ist“, sagte sie ihrer Kollegin. „Oder versuch, ihr ein Kleid in ihrer Größe zu verkaufen?“

„Du weißt doch, das wir in der Größe dieser Frau nichts haben, außer Kleider aus dem letzten Schlussverkauf, die wir nicht los geworden sind!“

„Na, dann biete ihr das doch an! Die merkt den Unterschied sowieso nicht!“

„Frau Finke, die Kundin wartet auf sie! Bitte beeilen sie sich etwas“, hörte sie die schneidende Stimme ihrer Chefin! „Dienst am Kunden muss schnell und kompetent sein, damit sie wiederkommen!“

„Einen Moment, bitte. Ich komme sofort“, erwiderte sie mechanisch.

Sie ging zu den Kleiderständern, und holte das von der Kundin gewünschte Kleid heraus, legte es über ihren rechten Arm, und verließ das Lager. Die Kundin hatte sich in eine der vielen Kabinen ausgezogen. Sie reichte ihr das Kleid, und wartete. Dann hörte sie das vertraute Geräusch reißenden Stoffes, und den halb erstickten Fluch der Kundin, die wütend herauskam.

„Was für einen Mist haben sie mir da gebracht! Das Kleid war ja viel zu eng! Sagen sie mal, wo haben sie überhaupt gelernt?“

„Kann ich ihnen behilflich sein“, hörte sie die Stimme ihrer Chefin, die sie mit einem Blick ansah, der selbst durch Stahl durchgegangen wäre.

„Ja, das können sie“, erwiderte die aufgebrachte Kundin! „Entfernen sie diese unfähige Verkäuferin aus meinen Augen!“

„Sie haben die Kundin gehört“, erwiderte die Chefin. „Gehen sie bitte in mein Büro, und warten sie da auf mich“.

Sie sah ihre Chefin und die Kundin an, und plötzlich überkam sie eine innere Leere. Eine Leere, die sie schon lange in sich gespürt hatte!

Ich hab mich für diesen Laden krumm gemacht! Hab geschuftet und auf Lohnerhöhungen verzichtet, als es dem Laden schlecht ging! Hab die Beleidigungen der Kundinnen und meiner Chefin geschluckt, weil es schwer ist, einen vernünftigen Job zu finden, und nun merke ich, das diese Arbeit mich immer weniger ausfüllt! Das ich mich nicht mehr hier wohl fühle. In einem Laden, wo unfähige und selbstgerechte Kundinnen sich alles erlauben können, und ich nichts darauf erwidern darf!

Sie drehte sich um, und ging in das Büro ihrer Chefin.

Zwanzig Minuten später stand ihre Chefin vor ihr.

„Frau Finke, leider muss ich ihnen kündigen. Die Kundin ist Frau Jacobs, die Frau unseres

Bürgermeisters, mit sehr viel Einfluss in dieser Stadt. Und wenn ich ihnen nicht kündige, kann ich den Laden schließen! Verstehen sie, das ich nicht anders kann?“

Flehendlich blickte sie ihre Untergebene an.

„Ich verstehe, das Ehrlichkeit und Gerechtigkeit in diesem Laden nicht mehr zu finden ist. Schon lange nicht mehr! Und ich verstehe, das ich keine Lust mehr habe, weiter in diesem Geschäft zu arbeiten! Machen sie also meine Papiere fertig. Ich werde mir die Freiheit nehmen, jetzt meine Arbeit niederzulegen!“

„Tun sie das, Frau Finke“, sagte ihre ehemalige Chefin!

Ohne ein weiteres Wort verließ sie ihre Chefin, ging in den Umkleideraum für Angestellte, zog sich um, und nahm die wenigen Habseeligkeiten aus ihrem Schrank. Carola Finke verließ, ohne die Firma eines Blickes zu würdigen, den Laden.

 

 

Es gefiel Gerlinde, nach langer Zeit wieder einmal Urlaub zu machen. Sie war nach Köln gefahren, und besuchte Verwandte und Freunde, die sie schon lange nicht mehr gesehen hatte. Sie besuchte den Dom, und schlenderte über die Schildergasse, der Einkaufsstraße Kölns. Sie schaute im römisch- germanischem Museum vorbei, und aß seit langem wieder einmal „Himmel un Ääd“, - Himmel und Erde-, ein Gericht, dass aus gebratener Blutwurst, Kartoffelpüree und Sauerkraut bestand.

Und sie trank die Muttermilch der Kölner, Kölsch, ein obergäriges Bier, während sie mit Freundinnen und Freunden das Kölner Nachtleben studierte.

So auch an diesem Abend, als sie im „Päffgen“, einer urig kölschen Kneipe mit Marion, einer Freundin, die sie in Hamburg bei einer Vernissage kennen gelernt hatte, ausgegangen war. Marion war gerade frisch geschieden worden, und litt sehr darunter, wenn sie ihren Ex sah, der wenige Straßen weiter mit seiner neuen Partnerin wohnte.

Vor wenigen Minuten hatte sie Anna angerufen, und erfahren, das diese das Buch der Schatten, das die Göttin ihr anvertraut hatte, gut versteckt und durch einen Zauber gesichert hatte. Sie erfuhr, das bei Nora eine Freundin lebte, und das Anna dafür sorgte, das Liebende sich aneinander binden konnten, obgleich eine der beiden Frauen durch einen Unfall verstorben war.

Etwas in Annas Stimme störte sie. Irgendwie hatte sie das Gefühl, das Anna ihr etwas verheimlichte. Aber was?

Ach, komm schon Gerlinde! Du hörst schon Flöhe husten, noch bevor die selbst das tun! Was sollte Anna mir denn groß verheimlichen?

„Einen Cent für deine Gedanken“, warf Marion ein. Sie schreckte aus ihren Gedanken hoch. „Ja, ähm, was hast du gerade gesagt?“

„Das ich dir einen Cent geben würde, wenn ich wüsste, an wen oder was du gerade gedacht hattest!“

„An das Telefonat von eben“.

„Und an was genau?“

„Das mir etwas merkwürdig vorkam. Weiter nichts!“

Die Kellnerin kam an ihren Tisch, und stellte zwei kleine, schlanke Gläser ab, in dem sich der obergärige Saft des Kölner Nationalgetränks befand. Eine leicht dickliche Schaumkrone zeigte, das der Köbes, so die interne Bezeichnung eines männlichen Schankkellners, sein Handwerk beherrschte. Die Kellnerin holte ihren Kugelschreiber hervor, und zeichnete zwei kurze Striche auf ihre Bierdeckel.

„Wohl bekommts“, sagte sie mit einem Lächeln, das mehr sagte, als das übliche Anlächeln einer zukünftigen Trinkgeldgeberin. Marion errötete.

„Ist sie nicht süß“, frotzelte Gerlinde? „Wäre sie nicht was für dich?“

„Sag mal, wer von uns ist bi, und wer nicht?“

„Ich meine ja nur, Marion“. „Ich denke, solange du es nicht probiert hast, weißt du nicht, ob

es etwas für dich ist oder nicht!“

„Ich muss nicht unbedingt etwas probieren, um zu wissen, ob ich es mag oder nicht!“

Okay! Ich hab verstanden!“

Sie blickte sich um.

Das Lokal war gut besucht. Es gab kaum ein Tisch, der nicht besetzt war, meist von jungen Leuten, denen ihr Studentenleben ihnen meist überdeutlich auf ihrer Stirn geschrieben war.

Vereinzelt sah sie auch Herren in blauen Anzügen und mit einer Krawatte, die mit einem Windsor- Knoten eng an ihren Hals gebunden waren.

Manager? Banker? Behördenfuzzis, überlegte sie? Na, wahrscheinlich alles von denen!

Das Lokal hatte wirklich eine interessante Mischung!

Eine junge, leicht füllige Frau betrat das Lokal. Suchend blickte sie sich um, und ging, entlang der einfachen, rustikalen Tische und Stühle, direkt auf ihren Tisch zu, an dem noch zwei Stühle frei waren.

„Ist hier noch frei“, fragte sie Marion?

Marion nickte.

Die Frau setzte sich, und Gerlinde spürte einen leichten Widerwillen gegen diese Frau, den sie sich nicht erklären konnte. Sie hatte sich absolut korrekt verhalten. Sie war weder aufdringlich noch unhöflich, weder laut noch lachte sie an einem Stück. Und doch spürte sie, das mit dieser Frau etwas nicht stimmte.

Wie zufällig berührte sie diese Frau, die sich als „Gundula“ vorgestellt hatte. Die Göttin gab ihr die Gabe, die Vergangenheit, Gegenwart und manchmal auch die Zukunft zu sehen, wenn sie jemand berührte. Doch bei Gundula sah sie nichts, außer einer großen dunklen Leere, einer Leere, die ihr Angst machte.

Erschreckt zog sie ihre Hand zurück. Ein leises Lächeln durchzuckte Gundulas Gesicht, ein Lächeln, von dem sie nicht wusste, wie es gemeint war. Gerlindes Augen blickten Marion an, aus deren Augen Tränen kamen, als sie einen Mann mittleren Alters beobachtete, der einer viel jüngeren Frau aus dem Mantel half.

„Ist das dein Ex“, fragte sie Marion?

„Ja“.

„Sollen wir gehen?“

„Ich denke, es wäre vielleicht das Beste für mich! Viel länger könnte ich es nicht aushalten!“

„Gut, dann lass mich bezahlen“, sagte Gerlinde. „Ich lade dich heute ein!“

„Danke, Gerlinde! Ich geh nur noch kurz auf die Toilette, und dann können wir gehen“.

Sie standen auf, und verabschiedeten sich von Gundula, die sich gerade eine Zigarette mit Marions Feuerzeug anzündete, und, ohne das beide Frauen es bemerkten, ließ sie es verschwinden.

Während Marion auf der Toilette verschwand um ihre Notdurft zu verrichten, bezahlte Gerlinde ihre Rechnung an der Theke. Sie sah nicht, wie Gundulas Augen sie bei jeder ihrer Bewegungen beobachtete, sie nicht aus den Augen ließ. Ihre Augen glühten wie das heiße Rot des Feuers, dunkelrot und gelb, und ihr Gesicht verzog sich zu einer Fratze.

„Bald haben wir dich soweit, Hexe“, sagte sie.

Marion kam aus der Toilette, frisch geschminkt und ihre Jacke lose über ihre Schulter gelegt. Sie ging auf Gerlinde zu, die gerade ihren Mantel von dem Kleiderständer genommen hatte, und ihn anzog. Gundula sah, wie sie sich kurz unterhielten, und dann das Lokal verließen.

Sie beobachtete den Exmann Marions und seiner Begleitung, die sich angeregt zu unterhalten schienen.

Sie stand auf, und ging hinter einem kleinen Paravan mit chinesischen Mustern, die nur ihre Silhouette zu erkennen ließ. Sie hob ihre Hand, und einen Augenblick später hatte sie sich verwandelt. Sie blickte in einen kleinen Spiegel, goldumrandet und reich verziert. Ein Mann mittleren Alters, mit blonden Haaren und grauen Strähnen, schlank und gepflegt, in einem

 dezenten Anzug feinster englischer Wolle blickte sie an.

Sie lächelte.

„Sehe ich nicht gut aus“, fragte sie sich? „Ein Kerl, richtig zum Verlieben!“

Sie drehte sich um, und ging zur Herrentoilette, deren Schwingtür sie mit elegantem Schwung öffnete.

Der Raum war sauber und gepflegt. Zwei Männer standen an den Pissoirs, und unterhielten sich über ein Fußballspiel des 1. FC. Köln, der wieder einmal ein Spiel verloren hatte, während ihr Urin in die Becken lief. Von Ferne erklang das leise Gedudel eines Radios, untermahlt von den Geräuschen klappernden Geschirrs und lauter Stimmen.

Sie hörte, wie ein Mann in einer der Kabinen hustete.

Die beiden Männer zogen ihre Reisverschlüsse hoch, und gingen. Eine Kabinentür öffnete sich.

Vor ihr stand der Mann von Marion.

Noch ehe er sie bemerkte, stand sie hinter ihm. Sie griff mit beiden Händen seinen Hals, ein Ruck, ein lautes knacken, und der Mann fiel wie ein gefällter Baum zu Boden.

Sie lächelte.

„Das wird der Hexe das Genick brechen“, sagte sie!

Sie holte Marions Feuerzeug hervor, und schmiss es auf den Boden.

Ein Blick auf ihre Hand, und die Hand veränderte sich, und hatte große Ähnlichkeit mit den schlanken Fingern Marions. Sie berührte die Griffe der Kabinen, die Wände und die Pissoirs, bevor ihre Hand wieder die eines Mannes wurde.

Mit ruhigem, gleichmäßigen Atem verließ sie die Toilette, und setzte sich auf ihren Platz. Zehn Minuten später betrat ein Mann die Toilette, und stieß einen spitzen Schrei aus. Er stürzte aus dem Raum, und schrie: „Ein Toter! Da drin liegt ein Toter!“

 

 

„Sie haben den Platz Numero 36C, Frau Finke“, sagte die freundliche Stewardess. „Sie gehen ganz nach hinten, und der Platz ist auf der rechten Seite, direkt am Eingang. Ich wünsche ihnen noch einen angenehmen Flug“. Die Stewardess lächelte professionell. Carola Finke lächelte zurück, nahm aus ihrer Handtasche das Flugticket, und gab sie der Stewardess, die einen kurzen Blick darauf war und sie ihr zurückgab. Carola Finke ging gemessenen Schrittes die Gangway entlang, bis sie die Tür des Flugzeuges passierte.

Wenige Augenblicke später hatte sie ihren Platz gefunden.

Am Fenster saß ein Mann, der unschwer seine bayrische Heimat verleugnen konnte. Er trug einen Gamsbart, und sein nach Schnupftabak riechenden Körper; sowie sein bayrischer Akzent verrieten ihn als einen Abkömmling bajuwarischer Volksseele. Er versuchte gerade sich mit seiner Sitznachbarin, - einer kühlen Blonden aus dem Norden mittleren Alters-, gegenüber verständlich zu machen.

Sie setzte sich auf ihren Platz, schnallte sich an, und drückte ihre Handtasche aus braunem Rindsleder eng an sich.

Sie freute sich, einige Tage bei ihrer Schwester Heiderose zu sein, die mit ihrem Mann und zwei lieben, aber manchmal sehr vorlauten kleinen Kindern, in Berlin in einem schmucken Reihenhaus in Wedding wohnte.

Seit sie ihren Job verloren hatte, hatte sie das Gefühl, etwas Neues versuchen zu müssen! Neue Wege in ihrem Beruf, oder einem anderen zu gehen. Die eingetretenen Pfade zu verlassen!

Aber was sollte ich tun? Ich habe Verkäuferin gelernt, was anderes kann ich nicht! Ich müsste erst einmal wieder was Neues lernen! Nur was?

Die Stewardessen gingen durch die Gänge in den hinteren Teil des Flugzeuges, und stellten Wagen mit Getränken in die Gänge. Die Stimme des Kapitäns ertönte, aber sie hörte nicht zu. Zu oft schon hatte sie die immer gleichen Worte vernommen, in denen der Kapitän die Technik des Flugzeugs und den Flugverlauf erklärte; und er mit Hilfe einer Stewardess die Notfallsituationen durchnahm, und zum Schluss den Passagieren einen „guten Flug“ wünschte.

„Mingernst aa a Stickerl Radi“, fragte der Bayer, und schnitt mit einem kleinen Messer ein

Stück ab, das er ihr hin hielt?

„Mein Herr, die Mitnahme von Stichwerkzeugen jeder Art ist im Flugzeug verboten. Würden sie mir bitte das Messer geben? Sie bekommen es am Ende der Reise am Schalter unserer Linie ausgehändigt!“

„Naaa“, erwiderte streitlustig der Bayer! „Ia will fei net“

„Dann muss ich den Kapitän benachrichtigen, der das Flugzeug anhalten, und sie aussteigen lassen wird. Und sie werden für die Verspätung dann in Regress genommen werden. Wollen sie das?“

Wortlos gab der Bayer der Stewardess sein Messer ab. Er steckte den Radi in seine Tasche, und holte ein Hartwürstchen hervor, in das er herzhaft hineinbiss.

Das Flugzeug fuhr zur Rollbahn, wurde schneller und schneller. Ein leichter Druck in ihren Ohren, und die leichte Schieflage des Flugzeuges zeigten ihr, das sie gestartet waren. Kurze Zeit später war der Flieger wieder senkrecht, und flog, von den lauten Geräuschen der Motoren begleitet, Richtung Berlin.

Die Getränke wurden serviert.

Sie nahm eine Diätcola, das Nordlicht ein Glas Orangensaft, und der Bayer ein Bier, Weizenbier, um genau zu sein. Die Cola war kalt, und sie stellte das Glas auf der Abstellanrichte ab, die sie heruntergeklappt hatte.

Sie öffnete ihre Tasche.

Das Buch, das sie eingesteckt und nachdem sie es herausgenommen und aufgeschlagen hatte, handelte von Magie, und wurde von einer Hexe geschrieben, die lange praktizierte. Carola hatte zu Hause einige Rituale ausprobiert, und sah, das sie wirkten, das sie damit Dinge verändern konnte. Nun las sie das Kapitel über die unterschiedlichen Göttinnen und ihre Bedeutungen, und was sie für heutige Frauen bedeuten.

Es war spannend.

Sie merkte, das jede dieser Göttinnen, etwas von dem wiedergaben, was sie schon lange in sich spürte.

Ihr Gerechtigkeitssinn, ihr Wunsch, andere, besonders Frauen und Kinder zu beschützen, schien Demeter, die Fruchtbarkeitsgöttin und Richterin, ihr geschenkt zu haben. Und die Göttin Hygeias, die Göttin der Gesundheit und der regenerativen Energien, drückte ihren Wunsch aus, sich mit Kräutern zu beschäftigen.

Schon immer wollte sie etwas über Medizin lernen!

Aber am meisten faszinierte sie die Göttin Diana, wie die Römer sie nannten! Oder Artremis, wie die alten Griechen ihre Göttin der Jagd, der Tiere des Waldes und der Frauen nannten. Die Göttin, die Frevler im Wald, die sich nicht an die Regeln des Waldes hielten, sofort bestrafte, imponierte sie sehr!

Ach, könnte ich doch so wie sie sein!

Der Bayer am Fenster redete auf ihre Nachbarin ein, deren verzweifeltes Gesicht von der Ergebenheit sprach, in die sie sich begeben hatte.

Sie lächelte, und wandte sich erneut ihrer Lektüre zu.

Eine knappe Stunde später landete sie mit weitern zweihundert Passagieren auf dem Flughafen Berlin- Tegel. Sie stieg aus, und gelangte, von ihrer Schwester Heiderose begleitet, zu deren Mercedes, die sie in deren Wohnung in Wedding brachte.

 

 

Gerlinde war müde.

Der Abend hatte sie geschafft.

Als sie und Marion das Lokal verlassen hatten, fuhren sie sofort zu Marions Wohnung, wo sie

sich stundenlang das Gejammer ihrer Freundin anhören musste. Marions Meinung nach war Günter, ihr Exmann, ein Schwein, der sie dauernd betrogen hatte, und den sie schon längst

hätte verlassen müssen, wenn sie ihn nicht so abgöttisch lieben würde!

Typisch Hetera, dachte sie!

Nur, damit sie weiter verheiratet bleibt, bleibt sie bei ihm! Nur, weil sie finanziell und emotional von Männern abhängig ist, lässt sie sich alles gefallen! Ich bin sicher, sie wusste, das ihr Ex mit seiner neuen Flamme in das Lokal kommen würde. Warum muss sie sich so quälen? Warum kann sie sich kein eigenes Leben aufbauen? Intelligent und schön genug für Männer ist sie ja, wenn sie unbedingt einen Mann will!

Sie drehte sich in ihrem Bett, in dem sie lag, und griff nach der Fernbedienung, die auf dem Nachttisch ihres Hotels lag.

Sie stellte den kleinen Fernseher an, und zappte, bis sie einen Sender fand, dessen Programm ihr zusagte.

Ein Spielfilm über einen kleinen Jungen, der mitbekam, das Hexen ihn verfolgten, weil sie Kinder hassten. Ihr gefiel die Hauptdarstellerin, Angelica Houston, besonders, wenn sie so herrlich böse tat.

Na ja, typisch patriarchalische Propaganda!

Hexen sind böse! Hexen verfolgen kleine Kinder um sie aufzuessen! Hexen töten Männer! Wenn die „guten“, das heißt, patriarchalisch orientierten Frauen sich von Hexen fernhalten, verlieren Hexen ihre Macht! Was für ein Blödsinn!

Aber es funktioniert auch heute noch!

Sie dachte an all die vielen Frauen, denen sie geholfen hatte, ein Kind zu verlieren oder zu bekommen. An all die Frauen, denen sie in Liebes- und Trennungsproblemen geholfen hatte, und sie alle wollten sie danach nicht mehr gekannt haben, leugneten auch vor ihrer besten Freundin ihre Hilfe.

Und das meist wegen der Männer und der Angst der Frauen vor dem Wissen ihres Geschlechtes! Diese Frauen hatten nie gelernt, ohne Männer zu leben, sich auf sich selbst verlassen, und den Typen die rote Karte zu zeigen, wenn sie sich daneben benommen hatten!

Ich bin froh, das viele Frauen in den letzten Jahren etwas aufgewacht sind! Denn schließlich haben sie die Scheidung eingereicht!

Sie dachte wieder an ihre Freundin.

Sie hatte ihr vorgeschlagen, einen Trennungszauber zu vollziehen, um ihr zu helfen, besser mit der Trennung von ihrem Ex verkraften zu können. Sie wollte nicht, und bat sie plötzlich, wieder in ihr Hotel am Dom zu gehen.

Warum hatte sie nur so viel Angst?

Oder, will sie leiden?

Braucht sie das für sich, um als Opfer ihres Mannes da zu stehen, um zu leiden? Sind manche Frauen, besonders heterosexuelle Frauen vielleicht in ihrem Innersten masochistisch?

Ich werde wohl nie wirklich eine heterosexuelle Frau sein, überlegte sie! Dafür sehe ich wohl Männer zu kritisch!

Ihre Gedanken wanderten zu Anna.

Anna!

Sie wusste, das sie Anna liebte. Und sie wusste, das Anna diese Gefühle nie erwidern würde! Nicht nur wegen des Altersunterschiedes, sondern auch und vor allem wegen ihrer Vergangenheit! Sie hat mich als Mithexe, und vielleicht sogar als Frau akzeptiert, aber sie würde mich nie als ihre Liebste akzeptieren!!!

Ohne das sie es merkte, flossen Tränen aus ihren Augen, und ihre Nase begann zu laufen, ein untrügliches Zeichen, wie unglücklich sie sich fühlte.

Sie blickte auf den Fernseher.

Gerade hatte Angelia Houston als Oberhexe versucht, den kleinen Helden der Geschichte

einzufangen. Sie hatte ihn in eine Maus verwandelt, und er war zu seiner Großmutter

geflüchtet.

Na, wenigstens eine Ablenkung, dachte sie ironisch!

Plötzlich verschwand das TV- Bild, es rieselte, und das Bild der Frau erschien, die sie im

Lokal kennen gelernt hatte.

Gundula!

„Na, noch wach, Hexe“, fragte sie scheinheilig? „Deine Freundin steckt ganz schön in Schwierigkeiten. Sie ist eben verhaftet worden, weil sie ihren Mann umgebracht haben soll. Und das, kurz nachdem du mit ihr das Lokal verlassen hattest, in dem er starb“.

„Wenn das stimmt, kann ihr ja nichts passieren, da ich aussagen werde, das wir zusammen waren!“

„Und ich werde aussagen, das ich gesehen habe, das sie, anstatt auf die Frauentoilette auf die Männertoilette gegangen ist. Ihre Fingerabdrücke sind dort überall, ebenso ihr Feuerzeug, das dort zufällig verloren wurde. Wie du siehst, habe ich an alles gedacht!“

Da kommt doch noch etwas, überlegte sie blitzschnell! Sie will was von mir! Und sie ist ein Dämon, da würde ich meinen fetten Arsch drauf verwetten!

„Du könntest sie natürlich retten“, erwiderte Gundula mit einem Ton, der ihr sagte, das ihre Situation anscheinend aussichtslos schien.

„Und wie“, erwiderte Gerlinde.

Sie war wurde nervös.

„Indem du die anderen beiden verlässt“, erwiderte Gundula. „Oh, du musst noch nicht einmal zu uns kommen. Es reicht schon, wenn die Macht der Drei nicht mehr existiert!“

„Dann würde die Göttin jemand anders berufen!“

„Würde sie nicht, meine Liebe“, erwiderte Gundula. „Wenn eine der drei aufgibt, vor allem, wenn sie die Gruppe und ihre Ziele verraten hat, muss die Göttin ein neues Team berufen, ein Team, das wir genauso zerstören könnten, wie dieses!“

„Na, das ich aufgebe, darauf kannst du lange warten!“

„Überleg es dir. Ich gebe dir Zeit bis heute um Mitternacht. Wenn du dann nicht zusagst, werde ich meine Aussage machen, und wir werden dafür sorgen, das deine Freundin sich aus Kummer über ihren „feigen“ Mord in ihrer Zelle erhängen wird. Wie ich schon sagte, du hast keine Chance!“

Das Bild verschwand.

Gerlinde geriet in Panik.

Das schaff ich nicht alleine, überlegte sie! Ich brauch Anna und Nora! Nur zu dritt haben wir eine Chance!

Sie griff zum Telefonhörer, und wählte die Nummer Noras. Nichts, keine Verbindung! Dann wählte sie Annas Nummer, aber auch hier nur ein Rauschen in der Leitung. Dann hörte sie eine Stimme. Eine Stimme, die ihr nur zu vertraut war! Eine Stimme, die sie gelernt hatte, zu hassen!

Hanims Stimme!

„Glaubst du wirklich, Hexe, das ich dir das erlauben würde?“

Sie legte auf.

Dann eben anders, überlegte sie.

Ihr Atem wurde langsamer, und langsamer, bis er fast nicht zu hören war. Ihr Geist suchte die Kommunikation mit der Göttin.

„Meine Tochter“, hörte sie kurz darauf die Stimme der Göttin fragend?

„Mutter, ich brauche die Hilfe Noras und Annas. Eine Freundin von mir ist in höchster Gefahr! In Lebensgefahr! Sie soll getötet werden, wenn ich nicht mich bereit erkläre, die Macht der Drei zu verlassen! Hanim steckt dahinter. Er hat einen seiner Diener dazu gebracht, den Ex der Freundin zu töten, und es ihr anzuhängen.“

„Und was soll ich tun?“

Sie bitten zu kommen“, bat Gerlinde flehendlich! „Wir brauchen die Macht der Drei, um

meine Freundin zu retten, und Hanim daran zu hindern, seinen Plan auszuführen! Ich habe schon versucht, sie anzurufen, aber das gelang nicht, ebenso die telepatische Verbindung, die

ich versuchte.“

„Gut, ich werde ihnen alles erzählen“, sagte die Göttin. „Am besten ist es wohl, wenn sie ein Flugzeug nehmen würden!“

„Aber sie sollen schnell machen, bitte sehr schnell!“

Gerlinde weinte voller Verzweiflung.

 

 

Nora war glücklich!

Seit zwei Tagen ging es ihrer Freundin Barbara richtig gut!

Sie hatte wieder Farbe bekommen, lächelte und scherzte mit Noras Nachbarin, Frau Holzer, einer alten verbitterten Frau, die durch ihre Freundin Barbara wieder aufblühte. Vor wenigen Minuten waren alle drei Frauen vom Einkaufen zurückgekommen, und was Nora nie für möglich gehalten hätte, Frau Holzer hatte alle für morgen Mittag zum Essen eingeladen. Barbara und sie hatten diese Einladung gerne angenommen.

Und nun hatte sich ihre Freundin auf der breiten Couch hingelegt, um sich ein wenig auszuruhen. Nora blickte auf die schlafende Gestalt ihrer besten Freundin, und fragte sich, wie schlimm der Krebs wohl in ihrem Körper wüten mochte, der sie langsam von innen zerstörte?

Sie machte sich Sorgen um ihre Freundin, deren Tod näher und näher rückte, unaufhaltsam, und niemand konnte ihn aufhalten! Zum erstenmal in ihrem Hexenleben fühlte sie sich machtlos. Zum erstenmal fühlte sie sich unfähig, etwas zu tun, um ihrer besten Freundin helfen zu können.

„Nora“, hörte sie plötzlich eine vertraute Stimme, die aus dem Nichts zu kommen schien. Es war die Stimme der Göttin, das merkte sie sofort.

Ich höre, Mutter“.

„Ich habe nicht viel Zeit, Nora! Ich muss gleich zu Gerlinde zurück. Ihre Energien gehen zur Neige. Komm nach Köln mit Anna. Nimmt einen Flieger und vergisst das Buch der Schatten nicht. Eine Frau ist in Lebensgefahr, und Gerlinde wird erpresst!“

„Womit erpresst?“

„Sie soll euch verlassen, um das Leben einer anderen Frau zu retten!“

„Aber wieso soll das so schlimm sein? Es würde bestimmt einen Ersatz geben?“

„Eben nicht, meine Tochter! Wenn sie freiwillig geht, ist auch eure Aufgabe beendet. Hanim will damit erreichen, das ihr alle als Gruppe zerstört werdet!“

Hanim!

Bei der Nennung dieses Namens stieg eine eiskalte Wut in ihr hoch. Hanim, der Mörder ihrer Mutter! Der Dämon, der das Leben so vieler Frauen zerstörte! „Nein, wir werden dir die Suppe versalzen, Dämon“, entfuhr es ihr!

„Ich muss gehen, Nora! Beeilt euch“, sagte die Göttin!

Die Stimme verschwand.

Gerlinde wird erpresst? Von wem? Warum?

Auf jeden Fall muss es verdammt wichtig sein!

Sofort rief sie Anna an, die versprach, sich um die Flugtickets zu besorgen. Sie blickte auf Barbara, die entspannt schlief, wie ihr gleichmäßiger Atem zeigte.

Nora ging zu ihrem Schreibtisch, riss ein Blatt von einem Block ab, und schrieb darauf:

 

Liebe Barbara,

leider musste ich überraschenderweise sofort aufbrechen, und werde für ein oder zwei Tage fort sein. Mach Dir keine Sorgen, und geh zu Frau Holzer alleine, wenn ich nicht da sein sollte.

Du hast ja meine Handynummer, wenn was wichtiges sein sollte.

Ich liebe Dich

Deine

Nora

Sie faltete den Zettel in vier gleichmäßige Teile, und steckte die Nachricht in einen Umschlag, den sie zuklebte. Sie schreib auf der Vorderseite FÜR BARBARA darauf, und legte en Brief auf den Wohnzimmertisch neben der Fernbedienung.

Sie wusste, das Barbara in einer Stunde aufwachen würde, und als Erstes ihre Lieblingsrichterin auf SAT 1 ansehen würde. Und dabei würde sie die Nachricht finden.

Hoffentlich macht sie sich keine Sorgen, überlegte sie. Das wäre schlecht für ihre Gesundheit!

Sie ging ins Schlafzimmer, holte einen kleinen Koffer hervor, in die sie in Windeseile einige Sachen zum wechseln und einige Ingredienzien, die sie für magische Rezepte brauchte, einpackte. Etwas in ihr sagte ihr, das sie braune und blaue Kerzen einpacken sollte. Sie hatte gelernt, auf diese Stimme in ihrem Innersten zu hören, und so packte sie neben den Kerzen auch noch Olibanum- Weihrauch zum räuchern, und Rosenöl ein.

Sie schloss den Koffer, und ging, nachdem sie ihre Wohnungstür leise geschlossen hatte, in die Tiefgarage ihres Wohnblockes, wo Anna mit ihrem rostigen Toyota auf sie wartete.

Sie stiegen ein.

Während Anna mit sicherer Hand ihren Wagen durch die verkehrsreiche City zum Flughafen Berlin- Tegel lenkte, fragte sie Nora: „Weißt du noch etwas? Ich meine, etwas, was du mir am Telefon noch nicht gesagt hattest?“

„Nein“, erwiderte Nora. „Du weißt alles, was die Göttin mir gesagt hatte!“

„Dann steckt also Hanim dahinter!“

Annas Gesichtsmuskeln spannten sich an.

„Ich hab noch nie Dämonen gemocht“, sagte sie, „Aber der Typ steht auf meiner Hassliste ganz oben!“

„Auf meiner auch“, erwiderte Nora, und unterdrückte mühsam die aufkommenden Tränen.

„Meine Damen und Herren“, ertönte eine freundliche Stimme aus dem Lautsprecher. „Wir bitten sie, sich für den Flug 192 nach Köln einzuchecken.“

„Wir müssen los“, sagte Anna, und schulterte die Umhängetasche, in dem sich neben dem Buch der Schatten auch weitere Hilfsmittel von Nora und ihr befanden, auf ihre rechte Schulter. Sie drückte die Tasche fest an sich, als sie, mit dem in der linken Hand befindlichen Flugscheines, gemeinsam mit Nora zum Schalter der Fluglinie ging. Eine junge, dezent geschminkte blonde Stewardess nahm den Flugschein entgegen, prüfte ihn, und sagte: „ Darf ich einen Blick in ihre Tasche werfen, bevor sie diese an Bord mitnehmen?“

„Warum das denn?“

„Seit den Terroranschlägen vom 11. September sind wir dazu verpflichtet, sie durchzuröntgen, um zu sehen, das weder Waffen noch Sprengstoff drin sind!“

„Na, wenn es denn so wichtig ist, dann machen sie das mal, junge Frau“, sagte Anna, und lächelte sie an, während sie der Stewardess ihre Tasche gab, die sie auf ein Laufband stellte.

Das Band setzte sich in Bewegung. Die Tasche verschwand unter einem riesigen schwarzen quadratischem Kasten, und kam, nachdem ein Gong ertönte, am anderen Ende wieder heraus. Die Stewardess nahm die Tasche von dem Band, und übergab sie Anna, die diese sofort umhängte.

Sie ging durch eine kleine Tür, und wartete, bis Nora nachkam.

Sie befanden sich in einem großen, in hellem Grün gestrichenem Raum, mit unzähligen, am Boden befestigten weißen Metallstühlen- und Banken. Sie setzten sich auf eine Bank, und sahen sich um.

Überall Passagiere, die sich, nachdem sie Platz genommen hatten, ihre Zeitung lasen, oder sich mit ihrem Nachbarn unterhielten.

Ein dicker Mann in einem schlecht sitzenden Anzug, der ihnen schräg links gegenübersaß,

versuchte, seinem ebenso dicken Sohn klar zu machen, das er jetzt kein Eis haben könne, da

sie gleich fliegen würden. Der Sohn quengelte, und der genervte Vater brüllte: „Du kriegst ja dein Eis, wenn wir in Köln sind!“

„Versprochen, Vati“, fragte die kleine Nervensäge?

„Versprochen“, bestätigte der genervte Vater! „Großes Pfadfinderehrenwort!“

„Was bin ich froh, das ich keine Kinder habe“, sagte Anna.

„Na, dazu würde ja auch etwas wichtiges fehlen“, erwiderte Nora, und lächelte.

„Was denn“, fragte Anna scheinheilig, denn sie wusste die Antwort auf ihre Frage?

„Na, als Frau die Frauen liebt, brauchst du halt ein Wesen des anderen Geschlechtes dazu! Ohne geht es halt nicht!“ Und sie fügte leise hinzu: „Leider“.

„Wieso leider?“

„Na, weil ich manchmal glaube, das wahre Liebe nur unter Frauen möglich sein kann.“

Anna war überrascht.

Das Nora sich denken konnte, das sie Frauen liebte, überraschte sie nicht so sehr, wie dieser Satz von ihr, die doch eine so überzeugte Hete war!

Ob ich ihr sagen sollte, was ich für sie empfinde, dachte Anna?

Das ich mich zu ihr hingezogen fühle, und nur die Tatsache, das sie eine Hete ist, mich davon abgehalten hatte, sie zu umwerben?

Nora blickte sie an.

Na, merkst du denn nicht du dumme Lesbe, das ich was von dir will?

Das ich dich will!

Das ich wissen will, ob die Liebe zu einer Frau, auch mein Weg sein könnte?

Ihre Augen trafen sich. Das Verlangen, das beide füreinander spürten, spiegelte sich in ihren Blicken wieder. Ihre Körper neigten sich einander zu, das Verlangen ausdrückend, das sie füreinander empfanden. Ihre Lippen kamen näher und näher, sie vergaßen Zeit und Raum um sich, als plötzlich eine Stimme ertönte: „Meine Damen und Herren. Ich darf sie bitten, die Gangway zu ihrem Flug entlang zu gehen, und auf ihren Plätzen sich zu setzen und anzuschnallen. Der Flug 192 nach Köln, startet in dreißig Minuten“.

Wie aus einem Traum erwachten sie.

„Ich glaube, wenn der Job in Köln zu Ende ist, müssen wir miteinander über etwas reden“, sagte Anna, und nahm ihre Tasche an sich, als sie aufstand.

„Das glaube ich auch“, erwiderte Nora, und lächelte Anna an.

Sie stand auf, und beide gingen zur Tür, die zur Gangway führten, und saßen wenige Augenblicke später auf ihren Sitzen, angeschnallt darauf wartend, in Köln mit Gerlinde einem Dämon das Handwerk zu legen.

 

 

Gerlinde lag in ihrem Hotelzimmer, und fühlte sich ausgelaugt.

Sie hatte Hunger, und bestellte sich beim Etagenkellner durch einen Telefonanruf, das vollkommen störungsfrei verlief, einige Sandwiches und frisch gepressten Orangensaft. Wenige Minuten später klopfte es an ihre Tür.

„Ja, bitte“, fragte sie?

„Ihre Sandwiches“, ertönte eine männliche Stimme.

„Einen Moment bitte, ich komme gleich“.

Sie stand auf, und zog sich einen kurzgeschnittenen Morgenmantel über, der ihre voluminösen Beine nur unzureichend bedeckte, und ging zur Tür.

„Na, noch ein wenig Hunger, Hexe“, fragte die Stimme des Kellners, der sich plötzlich in Gundula verwandelte? „Na, dann guten Appetit!“

Ihr Herz schien ihr stehen zu bleiben.

Sie überwachen mich, lassen nichts durch, was sie nicht wollen! Und diese Verwandlung vor

meinen Augen, sollte mir das klar machen!

Göttin, wenn wir dieses Abenteuer überstehen, werde ich wohl ein neues Herz brauchen!

Der Dämon verschwand so plötzlich, wie er gekommen war. Sie schloss die Tür, und ging ins Bad. Sie fühlte, wie plötzlich Angst in ihr hochstieg.

Wenn doch bloß Anna und Nora schon hier wären! Zu dritt hätten wir eine Chance!

 

 

Anna und Nora waren in der Lobby des Hotels angekommen. Sie blickten sich um, und sahen dem geschäftigem Treiben des Hotelpersonals und der ankommenden und abreisenden Gästen zu. Anna blickte sich kurz um, und sah, als sie Tisch der Rezeption und den Portier entdeckte, die Gestalt einer Frau, die ihre Aufmerksamkeit erregte.

Sie war groß, schlank, und hatte die Ausstrahlung einer Frau, die genau wusste, das sie sowohl auf Männer, als auch auf Frauen wirkte. Ihr ovales Gesicht wurde von ihren pechschwarzen langen Haaren spielerisch umschmeichelt. Ihre dunkelbraunen Augen gaben ihr etwas katzenhaftes, etwas animalisches, das durch ihre langen, rotlackierten Fingernägel noch unterstrichen wurde. Sie trug einen schwarzen Nerz und dunkelrote Stiefel, deren Glanz Anna blendete.

Die fremde Frau kam auf sie zu, und ging an ihr vorüber. Ein leichter Hauch von Opium, deren schwere Süße ihr in die Nase krabbelte und sie fatal an eine alte, längst verflossene Liebe erinnerte, umhüllte sie.

Plötzlich spürte sie, wie Noras Ellenbogen sanft in ihrer Seite einschlug.

„He, wir sind hier nicht zu unserem Privatvergnügen, Anna!“

Sanft zog Nora Anna in Richtung der Rezeption, wo der Portier gerade einer älteren Dame zwei Tickets einer Musicalaufführung überreichte. „Viel Vergnügen, Frau Doktor Reichenbach“, sagte er, und drehte sich, nachdem die Frau sich grußlos umgedreht hatte, Nora zu. „Was kann ich für sie tun“, fragte er höflich?

„Wir wollen eine Freundin besuchen, die in ihrem wundervollen Hotel abgestiegen ist“, sagte Nora mit einem bezaubernden Lächeln, das Anna schmerzlich berührte. Sie spürte, wie die Eifersucht in ihr hoch stieg. Wenn der Kerl sie auch nur einmal anlächelt, kriegt er von mir so eine verpasst, das er sein Leben lang künstlich ernährt werden muss, durchzuckte sie ein Gedanke!

„Zimmer dreihundertachtundzwanzig, gnädige Frau“, erwiderte der Portier höflich. „Kann ich sonst noch etwas für sie tun?“

„Nein danke, das war alles. Vielen Dank auch“.

Sie blickte Anna an, die ihre Eifersucht nur unzureichend verbergen konnte.

Ein leises Lächeln umspielte ihr Gesicht.

Es klappt also auch bei Frauen, überlegte sie. Ich brauche nur jemand anders anzulächeln, und Anna springt um die Ecke. Sie lächelte. Das ist deine Strafe dafür, das du dieser fremden Frau so lüstern angesehen hast, Schwester! Vielleicht wirst du das nächste Mal nur in meine Richtung sehen, wenn du was für mich empfindest?

Beide gingen zum Fahrstuhl, und merkten nicht, wie der Portier in einen Raum hinter der Rezeption verschwand. Niemand, der in diesem Raum war, sah ihn wieder.

 

 

Gerlinde saß auf der Toilette.

Komisch, überlegte sie, immer, wenn ich unter großem Stress stehe, scheint meine Blase oder mein Darm immer viel zu tun zu haben.

Das ploppende Geräusch herabfallender Exkremente, der begleitet von einem unangenehmen Geruch in die Toilettenschüssel fiel, zeigten ihr, das sie fertig was. Sie nahm einige Blatt des flauschigen Toilettenpapiers, und wischte all die Dinge an ihrem Gesäß fort, die dort nicht hingehörten.

Sie zog ihre Hose hoch, spülte die Exkremente aus der Toilette fort, und verließ den Ort,

nachdem sie sich ihre Hände abgewaschen hatte.

Sie ging ans Fenster.

Der dunkelrote Himmel gefiel ihr. Alle Farbtöne, die sie so liebte, rot, dunkelbraun, und königsblau, schienen am Himmel vertreten zu sein. Aber sie konnte sich nicht daran erfreuen. Zu sehr machte sie sich Sorgen!

Sie dachte an ihre Freundin Marion, die in Untersuchungshaft saß, und die, da war sie sich sicher, dort weinte, und sich Schuld an allem gab.

Hoffentlich kommen Anna und Nora bald, überlegte sie? Ich bin hier gefangen, und kann nichts tun, um ihr zu helfen. Ich werde von einem Dämon überwacht, und bin seine Gefangene!

„Scheiße“, entfuhr ihr ein Fluch, „warum musste ich mich auch nur so in Gefahr begeben?“

„Du brauchst nur die Seite zu wechseln“, ertönte die Stimme des Dämons. „Und Ratzfatz wird deine Freundin nicht nur frei sein, sondern auch du. Du brauchst noch nicht einmal dich uns anzuschließen, Honey! Es reicht schon, wenn das Team der drei Hexen aufhört, zu bestehen!“

„Eher wird der Papst ein Protestant, und alle Politiker ehrlich, als das du das erleben wirst“, erwiderte Gerlinde. Sie versuchte, Sicherheit und Selbstvertrauen auszustrahlen, die sie nicht hatte.

Zum ersten Mal seit langem in ihrem Leben hatte sie Angst!

 

 

Nora und Anna waren im dritten Stock angelangt.

Die Wände des langen Flures waren in einem dezenten mintfarbenen Grün gehalten, umrahmt von Replikationen alter Klassiker von Monet, Rubens und van Gogh. Der dicke, dunkelrote Teppich, sauber und von der jahrelangen Benutzung gezeichnet, dämpfte ihre Schritte. Eine ältere Dame, deren Alter unmöglich war, zu schätzen, kam aus einem Zimmer kurz vor ihnen heraus, und ihnen mit drei schwarzen Pudeln entgegen, die sie an einer dunkelroten Leine festhielt. Sie lächelte beide Frauen an, und ging, ohne sich umzudrehen, zum Fahrstuhl.

„Hier ist es“, sagte Nora, und klopfte.

Ein gewaltiger Schlag traf sie.

„Der Dämon muss die Tür durch einen Bannfluch gesichert haben“, überlegte Anna laut. „Also müssen wir versuchen, einen anderen Zugang zu ihr zu finden“.

„Ich weiß auch schon, wie“, sagte Nora.

Fragend blickte sie Anna an?

„Was meinst du?“

Nora sagte es ihr leise ins Ohr.

Anna lächelte.

„Ich wusste doch, das meine Ausbildung zu was gut war!“

Beide gingen zu der Tür, aus der die Frau mit ihren drei schwarzen Pudeln gekommen war. Anna griff in ihre Jeans, und holte ein Bund Dietriche heraus. Sie blickte auf das Türschloss, dann auch ihre Sammlung von Dietrichen, wählte einen aus, und steckte ihn in das Schloss. Eine leichte Drehung nach rechts, ein leichtes knacken, und schon war die Türe auf.

„Darf ich bitten, einzutreten, gnädige Frau“, sagte sie galant zu Nora, die lächelnd erwiderte: „Aber gewiss doch, meine Gnädigste!“

Sie gingen beide in das Zimmer und blickten sich um.

„Na, von aufräumen hält die Hundelady ja wohl nicht allzu viel“, bemerkte Nora, als sie die vielen herumliegenden Kleider und die Hundenäpfe sah, die mitten im Zimmer herumstanden, und über die sie fast gestolpert wäre.

„Na, und von Sicherheit auch nicht“, bemerkte Anna, und deutete auf den beleuchteten Schminktisch, auf dem alle Arten von Schmuckstücken, eines kostbarer aussehend als das

andere, ganz offen herumlagen.

„Gut, das wir keine Diebinnen sind!“

Beide grinsten.

Sie gingen auf den Balkon.

Anna bemerkte sofort, das es leicht sein würde, von einem Balkon auf den anderen zu gelangen, so nahe, wie beide Balkone nebeneinander lagen. Sie stellte sich auf die Brüstung, und, ein kleiner Sprung brachte sie auf den Balkon Gerlindes. Nora folgte ihr.

Sie blickten durch das Fenster, und sahen, wie Gerlinde zusammengesunken auf dem Bett saß. Tränen rollten über ihr Gesicht, und ihre Augen waren rot unterlaufen.

Anna setzte dazu an, zu klopfen, doch Nora hielt ihren Arm fest.

„Was ist, wenn der Dämon auch den Innenbereich der Wohnung unter seiner Kontrolle hat?“

„ Das Risiko müssen wir eingehen, Nora!“

„Lass sie doch auf den Balkon kommen. Wir konnten darauf, also ist hier keine schwarze Magie am Werk, und Gerlinde kann rauskommen!“

Wortlos nickte Anna, und blickte auf Gerlinde.

Wir müssen sie irgendwie auf uns aufmerksam machen, überlegte sie. Aber wie nur? Klopfe ich, hört das vielleicht auch der Dämon? Und im Raum selbst würden wir nichts verändern können, wenn der Dämon die Kontrolle hat?

Ihr Blick fiel auf den Nachtisch in Gerlindes Hotelzimmer. Zwei Bücher, und eine Lampe im Tiffany- Style standen dort. Und die Lampe war aus.

Plötzlich hatte sie eine Idee!

Sie blickte Nora an.

„Könntest du eines der Bücher auf ihrem Nachtisch so fallen lassen, das es in Richtung des Balkons zeigt?“

„Klar, aber was ist, wenn dann ein Dämon erscheint?“

„Darüber können wir uns Gedanken machen, wenn es soweit ist“ erwiderte Anna.

Nora konzentrierte sich.

Ein Buch bewegte sich langsam, fast unmerklich zum Rand des Nachtisches, und fiel zu Boden. Sie sah, wie Gerlinde hochschrecke, und sich umsah. Ihr Blick wanderte zu dem Balkon, wo sie sah, wie Anna und Nora ihr zuwinkten, und ihr andeuteten, das sie auf den Balkon kommen sollte.

Plötzlich entspannte sich ihr Gesicht, und sie lächelte erleichtert.

Die beiden sind da, durchzuckte sie ein Gedanke!

Wie von einer Tarantel gestochen sprang sie auf, und lief zum Balkon, deren Fenstertür sie aufriss, und beiden Frauen um den Hals fiel.

„Göttin, bin ich froh, euch hier zu sehen“, sagte sie. Sie lachte und weinte, weinte und lachte! Die Anspannung, die sie in den letzten Stunden ertragen musste, fiel plötzlich von ihr ab.

„Hat die Göttin euch alles gesagt“, fragte sie Anna und Nora?

„Ja, und auch, wer für diesen ganzen Schlammassel verantwortlich ist!“

Noras Finger verkrampften sich.

Seit sie wusste, das Hanim, der Dämon der Finsternis für den Tod ihrer Mutter verantwortlich war, wollte sie nur noch eines: Vergeltung! Sie wollte ihn vernichtet sehen! Und da der Dämon, der Gerlinde und ihrer Freundin Marion in Hanims Diensten stand, wollte sie auch ihn vernichten.

Anna spürte den blanken Hass in Noras Augen, und sah die verkrampfte Hand. Sanft nahm sie diese Hand in ihre, und streichelte sie beruhigend. Gerlinde spürte, wie ein stechender Schmerz durch ihren Körper ging.

Die beiden sind ein Paar?

Sie spürte, wie eine plötzliche Eifersucht in ihr hoch stieg. Göttin, ich liebe sie, durchzuckte sie ein Gefühl der Ohnmacht! Bitte hilf mir, diese Liebe zu vergessen, um nicht noch mehr zu leiden!

„Diese Liebe wird dich aber größer machen“, hörte sie die Stimme der Göttin in sich. „Und

egal, ob diese Liebe sich erfüllt oder nicht, sie ist wichtig für euch beide!“

„Aber sie wird sich doch nie erfüllen“ sagte Gerlinde in ihrem Inneren voller Überzeugung,

als sie sah, wie Nora Anna anblickte! „ Sie liebt Frauen, die als Frauen geboren wurden,

feminin und all das haben, was ich nicht habe! Diese Liebe zu ihr macht mich kaputt, und das will ich nicht mehr!“

„Hab Vertrauen, Tochter! Nur einmal Vertrauen darauf, das du liebenswert bist!“

„Was wollen wir denn wegen deiner Freundin tun“, fragte Nora?

Wie aus einer anderen Welt kommend, holte Noras Frage Gerlinde wieder in die Realität zurück.

„Was meinst du damit?“

„Na, wie wir gegen den Dämon vorgehen wollen, um deine Freundin zu retten!“

„Was schlagt ihr vor“, fragte Gerlinde, und blickte abwechselnd zu Nora und Anna?

Scheiße! Warum bin ich auf die beiden so eifersüchtig, überlegte sie? Ich sollte mich doch freuen, das sich zwei gefunden haben! Verdammt, warum tue ich es dann also nicht? Sie bemerkte, wie Anna Nora ansah, und ein stechender Schmerz durchzuckte sie erneut. Sie hatte Mühe, die Tränen, die aus ihren Augen auslaufen wollten, zurückzuhalten, und sich auf das Gespräch zu konzentrieren.

„Ich schlage vor“, begann Anna, „ das wir den Dämon vernichten. Denn wenn er noch nicht ausgesagt hat, muss die Polizei sie laufen lassen. Denn ohne ihre Aussage hat sie nur das Feuerzeug und die Fingerabdrücke, für die wir uns ja wohl leicht eine passable Geschichte einfallen lassen können!“

„Was höre ich da“, warf Nora ein? „Die ach so penible und einhundertprozentige Expolizistin Anna denkt ernsthaft daran, ihre ehemaligen Kollegen zu belügen? Was hast du genommen? Pott, Gras, oder LSD?“

„Weder noch, meine Liebe! Aber ich sehe es als kleineres Übel, wegen einer unschuldigen Frau zu lügen, als einen Dämon so einfach laufen zu lassen!“

„Und was denkst du, wie wir das anstellen sollen“, fragte Gerlinde? „Wir haben es hier ja nicht mit Amateuren zu tun!“

„Werde ich euch gleich sagen“, sagte Anna.

Ein leichtes Grinsen flog über ihr Gesicht.

„Der Dämon wird diesen Tag nicht vergessen! Das garantiere ich euch!“

 

 

Der Raum war dunkel.

Dunkel und kalt.

Kein Lufthauch durchflutete die Höhle, kein Lichtstrahl schien hinein, um den Raum zu erhellen. Eine schemenhafte Gestalt, groß und schlank, stand vor einer dunkelgrauen, vom Russ der Jahrtausende geschwärzter Wand, die sie mit den Fingern ihrer linken Hand berührte.

„Zeige mir das Zimmer der Hexe“, sagte die Gestalt. Rauch kam auf, und die Wand teilte sich. Plötzlich, wie von Geisterhand hervorgerufen, erschien das Hotelzimmer Gerlindes auf der Wand.

Die Gestalt blickte sich um.

Nichts schien sich seit dem letzten Blick auf das Zimmer verändert zu haben! Alles stand am selben Platz. Das Zimmer war ebenso wie das Bett aufgeräumt, und die Gestalt hörte, wie der Fernseher lief.

Der Blick wanderte ins Bad.

Der Atem stockte.

Der Raum war leer!

„Verdammt, die Hexe ist nicht da“, entfuhr es der schemenhaften Gestalt!

Aber das konnte doch nicht sein, überlegte sie! Ich habe doch sowohl die Tür, als auch das

Hotelzimmer mit einem Bann belegt, dem keine Hexe entkommen konnte! Wie konnte sie also

sich dem Bann entziehen?

Die anderen beiden Hexen?

Nein! Dazu hätten sie wissen müssen, dass dort ein Bann lag, überlegte sie kurz!

Mit einer Handbewegung schloss die Gestalt die Wand, und das Bild verschwand.

Ich muss die Hexe finden, überlegte sie. Wenn ich versage, wird Hanim mich vernichten!

Die Gestalt spürte, wie die Angst in ihr hochstieg. Angst, die sie sonst nicht kannte!

Sie wusste, das sie etwas tun musste.

„Exporis, metarmorposis, geruitatix malfikatus“, rief die Gestalt aus. Rauch stieg auf, und umhüllte sie wie einen wärmenden Mantel. Der Rauch verzog sich, und die Gestalt war verschwunden.

 

 

Gerlinde war mit Anna und Nora über die Brüstung ihres Hotelzimmers geklettert, und in die Nachbarwohnung hineingegangen.

Es fiel ihr schwer, ihren doch sehr voluminösen Körper über die eiserne Brüstung zu hieven, doch mit Annas Hilfe gelang es ihr schließlich.

Gerlinde und Nora räumten auf dem Teppich des Hotelzimmers all die Dinge weg, die störend wirkten. Die Fressnäpfe und Trinkschalen der kleinen Hunde, die teure, nachlässig auf dem Boden liegende Nerzstola und die Stühle.

„Beeilung, wir haben nicht sehr viel Zeit“, sagte Anna. „Wenn der Dämon kommt, müssen wir bereit sein, ihm einen heißen Empfang zu bereiten!“

„Und wenn er nun doch früher kommt, und euch sieht, dann...?“

„Gerlinde, du alte Pessimistin“, rief Nora aus. „Wenn wir schnell arbeiten, wird alles schon gut gehen!“

Anna räumte den weißen Läufer, der über dem Teppich lag, beiseite, und zeichnete mit flinken Fingern und  ein Bannpentagramm auf den Teppichboden. Nora stellte an den vier Enden des Hotelzimmers je eine braune und eine blaue Kerze, die sie mit etwas Rosenöl eingerieben hatte. Sie griff in ihre Handtasche, und holte etwas Olibanum- Weihrauch hervor, die sie in einen Aschenbecher des Hotels legte, und anzündete.

Der würzige Duft des Harzes durchzog ihre Nasen. Nora nahm den Aschenbecher, den sie in die Innenseite ihrer rechten Hand legte, und fächerte mit der Außenseite ihrer linken Hand den reinigenden Rauch des Harzes in jede Ecke des Hotelzimmers.

„Herrin der Dunkelheit“, rief sie, während Anna und Gerlinde ihre Stimmen in einem leisen Summton erhoben. „ Dunkle Iris der Zaubersprüche. Hekate, rächende Mutter. Höre und hilf uns, eine unschuldige Frau zu beschützen, und einen Dämon zu vernichten!“

Das Summen Annas und Gerlindes wurde lauter und kraftvoller.

„Zeige uns, wie wir Deinen Namen ehren, und die Rechte unschuldiger Frauen schützen können!“

Annas Tasche fing an zu leuchten.

„Das Buch der Schatten“, entfuhr es Anna, die zu ihrer Tasche stürzen wollte.  Gerlinde hielt sie fest, und sagte: „ Das Ritual ist noch nicht beendet, Anna!“

„Aber im Buch der Schatten steht, wie wir dieses Schwein fertig machen können“, erwiderte Anna.

„Und wenn die Göttin will, das wir schon jetzt darin lesen, werden wir bestimmt einen Wink bekommen, oder sie wird einen Weg finden, das wir es bekommen!“

„Wie beispielsweise meine Gabe, die ich von der Göttin bekommen habe, um Dinge zu bewegen. Wie deine Tasche, Anna!“

„Na, worauf wartest du dann, Schwester?“

„Ich mach ja schon! Nur die Ruhe“.

Sie konzentrierte sich auf Annas Tasche, die diese auf einen Sessel geschmissen hatte, als Anna das Pentagramm gezogen hatte.

. Die Tasche bewegte sich langsam, aber stetig auf Nora zu, bis sie bei ihr angelangt war. Das

Buch der Schatten leuchtete immer noch. Nora legte das Buch in ihre Hand. Die Blätter

bewegten sich wie von Geisterhand umgeblättert, und blieb plötzlich stehen.

Nora blickte hinein.

„Aha“, sagte sie. „Eigentlich ganz easy! Wir müssen ihn zuerst dazu bringen, zuzugeben, das er der Täter war, und danach uns alle drei in einen Kreis stellen, und die Formel aufzusagen, die hier im Buch steht. Am besten ist, wir merken den Spruch uns alle, und warten!“

„Und das, was wir eben getan haben?“

„Das diente unserem Schutz, Gerlinde. Aber da ich ja weiß, das du mitunter Dämonen gerne brennen siehst, habe ich mir das Ding mit dem Pentagramm ausgedacht. Wenn der Dämon nämlich anfangen will, aktiv zu werden, wird das Pentagramm in diesem Raum seine Magie gegen ihn verkehren. Tolle Idee, nicht war!“

Erstaunt blickte Gerlinde zu Anna.

So hatte sie Anna noch nie kennen gelernt!

So voller Hass, voller Freude, jemand zu quälen.

Ein leichtes Schaudern lief an ihrem Rücken herunter.

Ich habe nie gerne jemanden verletzt, oder getötet, erinnerte sie sich. Es war notwendig, um mein Leben oder das anderer Menschen zu schützen, aber gehasst, habe ich es immer! Ich bin heilfroh, das ich nie wieder bei diesem Verein sein muss, wo ich all das tun musste!

Sie schüttelte diese unangenehme Erinnerung von sich, wie die letzen Tropfen auf einem nassen Mantel.

Nein, an die Vergangenheit wollte sie nicht mehr denken. Nie mehr!

Sie konzentrierte sich auf den Spruch im Buch der Schatten. Er war einfach zu lernen, und so gab sie das Buch Anna, die einen kurzen Augenblick später den Spruch ebenfalls auswendig lernte.

Sie setzten sich auf die Couch und warteten. Warteten darauf, einen Dämon zu töten.

 

 

Das Hotelzimmer Gerlindes lag verlassen und einsam da.

Der fahle Lichtschein der Straßenbeleuchtung schien durch die Fenster, und gaben dem Raum etwas unwirkliches, etwas mystisches. Aus dem Nachbarzimmer drang halblaut der Fernseher, und die Stimmen eines Paares, das sich stritt. Rauch trat auf, und die Gestalt des Dämons erschien. Er hatte sich wieder in Gundula verwandelt, die Gestalt, mit der er Gerlinde traf.

Er blickte sich um.

Er ging ins Schlafzimmer, ins Bad und ins Wohnzimmer der Suite, aber nirgendwo erblickte er Gerlinde.

Seine Hand griff einen alten Leuchter, der angelehnt an der Wand des Wohnzimmers stand. Mit einer kraftvollen Bewegung warf er die Lampe auf den Boden, und fluchte: „Wo bist du nur, verdammte Hexe?“

 

 

„Er ist da“, sagte Gerlinde.

Nora nickte.

„Dann lass ihm mal zeigen, was in drei Hexen so alles drin steckt“, sagte Anna.

Sie standen auf.

Wortlos deutete Anna ihrer Mithexe, auf den Balkon zu gehen. Gerlinde ging mit raschen Schritten auf die Balkontür zu, öffnete diese, und ging auf den Balkon. Mit leisen Schritten, auf jede Bewegung achtend, kletterte sie auf den Balkon ihres Zimmers, und sah durch das

Fenster.

Ein diabolisches Grinsen umschmeichelte ihr Gesicht, als sie bemerkte, wie wütend der Dämon war.

„Hallo Süßer“, sagte sie mit einer hohen Stimme, die nur mühsam ihre Anspannung

verdeckte. „Suchst du mich?“

„Da bist du ja“, hörte sie die heiser klingende Stimme des Dämons, der sich auf sie stürzen wollte.

„Komm doch mit rüber, mein Kleiner. Ich feiere da ne kleine Party, weißt du. Ich werde dich nämlich daran hindern, meine Freundin in den Knast zu bringen!“

„Und wie willst du das tun, Hexe“, fragte der Dämon höhnisch? „Die anderen Hexen werden den Weg zu dir nie finden, dafür haben wir schon gesorgt!“

„Na, wenn das so ist, kriege ich ja richtig Angst vor dir! Vielleicht sollten wir die Modalitäten meiner Trennung von den anderen Hexen im Nebenzimmer bei einer guten Flasche Rotwein diskutieren?“

Der Dämon triumphierte.

Endlich habe ich es geschafft, dachte er. Hanim wird sehr zufrieden mit mir sein!

Und er wird mich belohnen, da ich es war, der die Macht der drei Hexen zerstörte!

„Dann lass uns gehen, Hexe“, sagte er, wobei er seinen Triumph nur mühsam verbergen konnte.

„Aber denk daran, Ladies First“, erwiderte Gerlinde. „Ich gehe als Erste hinüber. So viel Zeit für gutes Benehmen muss schon sein!“

„Gut“, erwiderte der Dämon. „Aber versuch keine Tricks!“

„Aber ich doch nicht“, erwiderte Gerlinde mit dem Brustton der Überzeugung, der selbst einem Eskimo einen Kühlschrank verkauft hätte.

Sie gingen auf den Balkon. Galant hielt der Dämon Gerlindes Arm fest, als diese über die Brüstung ihres Hotelzimmers auf den Balkon in die Nachbarwohnung gelangte. Mit einer hastigen Drehung, den niemand ihr bei ihrer Körperfülle zugetraut hatte, sprang sie durch die offene Balkontür, und flüsterte: „Es kann losgehen“.

Der Dämon stürmte in das Zimmer hinein.

Mit einer raschen Kopfbewegung blickte er sich um.

„Na, was willst du den jetzt tun, Kleiner“, fragte Gerlinde, als sie bemerkte, das der Dämon auf dem Pentagramm stand?

„Verfluchte Hexe“, zischte der Dämon. „Warte, bis ich dich in meine Finger bekomme! Dein Tod wird überaus erfreulich für mich sein!“

„Na, wenn du dich da nicht irrst“, ertönte eine Stimme.

Der Dämon drehte sich um.

Hinter ihm stand Nora, die sich im Schatten eines großen in Nussbaum gehaltenen Schrankes versteckt hatte.

„Und Süßer“, hörte der Dämon die Stimme Annas, die aus dem Bad ertönte. „Wenn wir mit dir fertig sind, wird die Freude ganz auf unserer Seite sein!“

Sie kam aus dem Bad, und bewegte sich auf den Dämon zu, der wie versteinert dastand. Er spürte, eine unsichtbare Kraft, die ihn festzuhalten schien.

Gerlinde zündete eine braune Kerze an. Der blumige Duft der marrokanischen Rose, mit denen die Kerze eingerieben wurde, umhüllte den Raum. Gegenüber der braunen Kerze stellte sie eine blaue Kerze auf, die sie ebenfalls anzündete.

Sie ging zu einem Aschenbecher, in den sie etwas Olibanum- Weihrauch legte, den sie anzündete. Der hölzerne Duft des Weihrauchs vermischte sich mit dem sanften, erotischen Duft der Rose.

„Sag mal“, begann Anna den Dämon anzureden, „wie hast du das eigentlich mit Gerlindes Bekannten angestellt? Und was hast du damit bezweckt?“

Ein Lächeln durchzuckte das Gesicht des Dämons.

„Das war eigentlich ganz einfach“, sagte er. Er lächelte, als er das sagte!

Er redete und redete. Wie ein Künstler, der stolz auf seine Arbeit war, erzählte er in allen Einzelheiten, was er getan hatte; und warum Gerlinde dazu gezwungen werden sollte, Anna und Nora zu verlassen, um so die Macht der drei Hexen zu zerstören.

Anna deutete Nora und Gerlinde, das sie einen Kreis bilden sollten.

Sie nahm die braune Kerze in die Hand, Nora die blaue, und Gerlinde den Aschenbecher, in dem das Weihrauch vor sich hin glomm.

Anna hob die Kerze in Höhe ihrer Augen, blickte zur Decke des Hotelzimmers, und sagte: „ Mutter aller Wesen, beschützende Herrin, Göttin aller Dinge, hier in deiner Gnade bitten wir dich für die Gerechtigkeit für Marion, Gerlindes Freundin“.

Nora nahm die blaue Kerze zwischen ihre Hände.

„ Herrin der blauen Himmel und Wasser, des weichen Regens im Walde, führsorgliche Mutter. Gib uns Kraft, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen!“

Gerlinde nahm den Aschenbecher, und hielt ihn so, das der Duft des Weihrauches in Richtung des Dämons strömte.

„ Lass uns kein Leid geschehen, weder von Dämonen noch von Menschen, umgib uns mit deinem Schutz vor allem, was uns schadet. Lass Böses weit von uns entfernt sein!“

Wie mit einer Stimme sagten alle: „So seih es!“

Mit langsamen, gleichmäßigen Schritten bewegten sich alle drei Frauen auf den Dämon zu.

„Baram Uram Belam“, ertönten gleichmäßig ihre Stimmen. „Verflucht, vergangen und vergessen“

Dreimal wiederholten sie diese Worte.

Ein Lächeln durchzuckte Annas Gesicht.

„Na, hast du nicht jetzt große Lust, mir eine zu verpassen“.

„Quäl ihn doch nicht so, Anna“, warf Gerlinde ein. „ Der Arme hat sowieso schon genug Schiss vor dir!“

Noras Hand schnellte vor.

Ein dünnes, weißes Pulver, das in ihrer Hand verborgen war, streute sich auf die Augen des Dämons. Schmerzhaft brüllte er auf, krümmte sich, und verschwand aus ihren Blicken.

„Was war das denn“, fragte Anna?

„Mein Geheimrezept“, erwiderte Nora, und lächelte Anna an. Ein stechender Schmerz durchzuckte Gerlinde. Ich bin immer noch eifersüchtig, überlegte sie! Ich weiß, das es keine Chance gibt, das aus Anna und mir was werden könnte, und trotzdem bin ich eifersüchtig!

Ich werde mich wohl nie daran gewöhnen, das all meine Lieben unerfüllt bleiben werden!

Das leise kläffen einiger Hunde war auf dem Flur zu hören, ebenso ein Schlüssel, der sich im Schloss herumdrehte.

Die Tür ging auf, und die drei Frauen blickten in das erstaunte Gesicht der Frau, die in dem Zimmer logierte, in dem sich alle drei befanden.

„Was wollen sie hier? Mich bestehlen? Da haben sie kein Glück, meine Damen, ich bin bewaffnet!“

Sie blickte auf ihre Pudel.

„Fass Hupsi! Fass Jupiter! Fass Gabriel”, ertönte ihre Stimme mit einer Schneidigkeit, die alle drei Frauen überraschte.

Die Hunde rührten sich nicht, sondern blickten sehnsüchtig in Richtung ihrer Fressnäpfe.

„Aber wir wollen nichts stehlen, gnädige Frau! Sehen sie, meine Freundin hier hat das Zimmer neben ihnen, und als wir sie besuchten, konnten wir nicht heraus, weil die Tür verschlossen war. Fragen sie den Portier, er wird ihnen bestätigen, das sie neben ihnen wohnt!“

„Das werde ich tun“, erwiderte die Hundelady.

Sie griff zum Hörer, sprach, hörte zu, und legte den Hörer in die Gabel.

„Ich muss mich bei ihnen wohl entschuldigen“, erwiderte sie. „Anscheinend habe ich... .“ Sie

stockte, schnüffelte, und sagte: „Woher dieser Geruch nur her kommt?“

„Wahrscheinlich von einem der Nachbarzimmer“ sagte Gerlinde in einem möglichst

gleichgültigem Ton.

„Wahrscheinlich!“

Sie verabschiedeten sich, und gingen durch die Tür hinaus.

 

 

Zwei Tage später waren Gerlinde, Anna und Nora im Flugzeug, das sie nach Berlin bringen sollte.

Mit Annas Hilfe und einer versierten Anwältin, die Expartnerin einer ehemaligen Geliebten Annas, konnte Marion aus dem Gefängnis geholt werden. Sie hatte sich im Gefängnis versucht, das Leben zu nehmen, und so gaben sie Marion die Adresse einer Hexe, die in Köln praktizierte, und Erfahrung mit Menschen in Krisensituationen hatte.

Schweigend saßen sie alle, in ihren eigenen Gedanken versunken, im Flugzeug, das Buch der Schatten von Gerlinde fest in einer Tasche versteckt an sich gedrückt. Jede hing ihren Gedanken nach, während sie dem Treiben im Flugzeug zusahen, oder sich beschäftigten.

Nora überflog die Schlagzeilen der Zeitung. Ihr Blick wanderte heimlich zu Anna, die neben ihr saß, und zu schlafen schien.

Wie friedlich du aussiehst, Anna! Du beginnst, mein Herz zu stehlen. Ich weiß nicht, wohin mich das führen wird, aber ich bin bereit, es herauszufinden, überlegte sie.

Bin ich lesbisch, fragte sie sich plötzlich?

Ich begehre Anna, und vielleicht liebe ich sie sogar, aber macht mich das zur Lesbe? Ich hatte früher immer Beziehungen zu Männern gehabt! Bin ich dann nicht eher bi?

„Meine Tochter, ist es denn so wichtig, ob du lesbisch, bi, hetero oder bunt kariert bist? Liebe ist Liebe, Nora! Egal, wer wen liebt, solange diese Liebe gleichberechtigt und in gegenseitiger Achtung gelebt wird!“

Die Stimme der Göttin klang eindringlich in ihren Ohren.

Sie hatte recht!

Wichtig war nur, was Anna und ich füreinander empfinden!

Wenn es Lust ist, dann wird es Lust sein! Wenn es Liebe ist, dann ist es Liebe!

Und wenn mich diese Liebe zu einer Lesbe macht, dann bin ich das eben!

Sie wandte sich erneut ihrer Zeitung zu.

 

 

Anna schlief nicht!

Sie dachte nach.

Nora, liebste Nora, dachte sie. Wenn du wüsstest!

Wenn du wüsstest, wie sehr ich mich zu dir hingezogen fühle! Und das nur die Tatsache, das du bisher heterosexuell gelebt hast, und viel jünger als ich bist, mich davon abhielten, dich verführen zu wollen.

Aus ihren leicht geschlossenen Augenwinkeln heraus blickte sie auf Nora, die lustlos in einer Zeitung zu blättern schien, und hier und da etwas las.

Sie liebte den damenhaften Sitz ihrer jungen Mithexe, die, einer Königin auf ihrem Thron gleich, aufrecht im Flugsessel saß. Die graziösen Finger, die zärtlich und leicht die Zeitung hielt, und die langen, unlackierten Fingernägel, die ihre Hand schlanker machte.

Ein leiser Seufzer durchfloss durch ihren Körper.

Aber erst müssen wir darüber reden, durchzuckte sie ein Gedanke! Was ist, wenn ich etwas anderes als sie will?

„Dann wirst du es wissen“, hörte sie die leise Stimme der Göttin in ihrem Ohr. „Wenn ihr es nicht herausfindet, ob ihr etwas für einander empfindet, werdet ihr es nie wissen, und diese unausgesprochene Frage wird immer zwischen euch stehen!“

„Und, wenn sie nur mal wissen will, wie der Sex mit Frauen ist?“

„Nun, das Risiko musst du schon eingehen, meine Tochter!“

„Und wenn ich davor Angst habe?“

„Olle Schisserin!“

„Na ja, ich mein ja nur“, sagte sie mehr zu sich selbst.

 

 

Gerlinde sah der Stewardess zu, wie sie auf ihren hochhackigen Schuhen in Richtung des Cockpits schlenderte, und dabei die Reste des kleinen Snacks, den alle Fluggäste bekamen, auf einen kleinen Kastenwagen stellte, und voranschob.

Das muss für die Frauen doch unglaublich schmerzhaft sein, überlegte sie! Solche Latschen gehörten verboten! Die Frauen ruinieren sich damit ihre Knochen und Gelenke! Aber nur weil so ein paar sexistische Männerärsche ihren Frauenhass unbedingt durch solche sexistische Kleidung ausdrücken müssen, und die Frauen ihren Job nicht verlieren wollen, zwängen sie sich in diese Schuhe!

Diese Bosse sollten dazu gezwungen werden, einen Monat lang, Tag für Tag solch dämlichen Schuhe zu tragen. Dann würden die, da würde ich meinen fetten Arsch für verwetten, ganz schnell den Frauen bequemere Schuhe erlauben!

Ihr Blick fiel auf Anna.

Wie schön und klug sie doch war!

Wenn du wüsstest, wie sehr ich dich begehre, Anna! Wenn du wüsstest, wie ich mich jeden Tag nach dir und deiner Nähe sehne! Und wie traurig und verzweifelt ich bin, das du dich niemals in mich verlieben könntest, weil du mich immer mit den Augen meiner Vergangenheit sehen würdest!

Seit langem fange ich wieder an, mich und diese Vergangenheit zu hassen, die uns daran hindert, uns als Geliebte kennen lernen zu können!

Sie blickte zu Nora, die eine Zeitung in der Hand hielt, die sie lustlos durchzublättern schien.

Du hast alles, Nora, was ich mir wünsche, dachte sie! Du bist als Frau geboren, jung, klug und Anna liebt dich!

Und du?

Liebst du Anna, Nora?

Oder willst du nur mal sehen, ob du auch mit Frauen was anfangen könntest?

Sie merkte nicht, wie einige Tränen aus ihren Augen flossen.

„Tu ihr bitte nicht weh, Nora“, flüsterte sie leise. „Tu Anna bitte nicht weh!“

„Und was ist mit deinem Glück, Gerlinde?“

Die Göttin!

„Wer denn sonst, meine Tochter“, hörte sie die Stimme der Göttin in ihrem Ohr? „Wer, wen nicht ich, muss dich manchmal daran erinnern, das Verzicht zwar mitunter wichtig ist, aber die eigenen Wünsche auch was zählen!“

„Aber du kennst doch Anna“, warf Gerlinde ein! „Sie würde sich nie in eine Frau wie mich verlieben!“

„Sag niemals, nie, meine Tochter! Menschen und Situationen können sich ändern! Denk einmal daran, wie sie war, als ihr euch kennen gelernt habt. Drei Individuen, jede mit eigener Persönlichkeit und Rechtsempfinden! Und nun? Anna, die Ach so überkorrekte Anna lässt auch mal alle Fünfe gerade sein!“

„Ja, und ich hätte auch niemals geglaubt, das sie mich als Frau und Mithexe akzeptieren würde! Aber ihre Geliebte zu sein, ist etwas ganz anderes! Selbst, wenn ich als Frau geboren wäre, würden wir nicht zueinander passen.“

„Warum nicht“, fragte die Göttin?

„Weil sie eine Butch, eine maskuline Frau ist, darum! Und solche Frauen suchen sich als Partnerinnen feminine Frauen aus. Solche wie Nora!“

„Ist das ein Gesetz?“

Gerlinde lächelte.

Sie spürte, das die Göttin durch ihre Fragen auf etwas hinweisen wollte, verstand aber nicht, was sie ihr sagen wollte.

Wäre sie bei meiner alten Firma gewesen, hätte sie als Verhörspezialistin bestimmt Kariere

gemacht, dachte sie.

„Nein, nicht, das ich wüsste“, antwortete sie der Göttin auf deren Frage!

„Und du hast damit vollkommen recht, meine Tochter“, sagte die Göttin. „ Liebe kennt keine Grenzen! Da liebt die Butch die Femme genauso, wie die Butch die Butch, oder die Femme die Femme liebt! Wie der Lederkerl, der die Tunte oder einen anderen Lederkerl liebt! Und es gibt Frauen, die Schwierigkeiten mit Frauen wie dir haben, und wiederum andere, die nur den Menschen und nicht die Vergangenheit sehen!“

„Ja, aber ich liebe Anna“, sagte Gerlinde bestimmt! „Und sie wird mich niemals lieben, das ist so sicher wie die nächste Steuererhöhung der Bundesregierung!“

„Ist das wirklich so sicher?“

„Ja“, erwidert Gerlinde.

„Wenn du meinst, dann wird es auch so stimmen! Aber bedenke eines, meine Tochter! Das, was wir uns wünschen, werden wir auch bekommen!“

Die Stimme in Gerlindes Ohr verschwand.

Ein leises Sausen in ihren Ohren, sowie der leichten Senkung des Flugzeuges nach vorne, zeigten ihr an, das der Flieger zur Landung ansetzte.

 

 

Gerlinde schloss die Tür ihrer Wohnung auf.

Sie war müde. Die letzten Tage waren voller Stress und hatten sie geschafft! Und dann noch der Kampf mit dem Dämon, der sie daran hindern wollte, mit Nora und Anna weiter zu arbeiten.

Sie warf ihre Tasche und ihren Koffer auf den Boden, schloss die Tür, und warf sich, nachdem sie ihren braunen Ledermantel ausgezogen und auf den Boden geworfen hatte, auf die breite Couch ihres Wohnzimmers.

Ihre Füße schmerzten, und sie legte sie auf den Tisch vor ihr, den sie etwas nach vorne schob.

Plötzlich verspürte sie Hunger und Durst. Sie stand auf, und schleppte sich in die Küche, wo sie den Kühlschrank öffnete.

Leer!

Bis auf einige vertrocknete Salatblätter, einer angebrochenen Flasche Salatsoße und einigen Dosen Annanas, war der Kühlschrank so leer wie die Versprechungen der Bundesregierung!

Also, muss ich wieder los, um einzukaufen, überlegte sie. Und das, wo ich so geschafft bin!

Sie ging zur Couch zurück, und nahm ihre Tasche. Mit einem raschen Griff nahm sie das Buch der Schatten hervor, und versteckte es an seinem gewohnten Platz hinter einer losen Diele. Mit einem Zauberspruch versiegelte sie das Versteck, zog sich ihren Ledermantel an, und verließ ihre Wohnung.

 

 

Der Lebensmittelladen, der nur wenige Minuten von ihrer Wohnung entfernt war, hatte noch offen. Stefan, der Sohn des Besitzers schob gerade den Verkaufsstand mit den verschiedensten Obstsorten in den Laden. Sein Vater saß an der Kasse, und bediente eine ältere Frau, die sie in ihrer Nachbarschaft öfters mit einem kleinen Jungen gesehen hatte. Hinter ihr stand ein junger Mann in einem gepflegten Tweedanzug, mit einer grellbunten Krawatte, die so gut zu seinem Anzug passte, wie ein Leichenbestatter zu einem Arzt.

Sie nahm sich eine der Einkaufswagen, und hängte ihre Tasche an den dafür vorgesehenen Haken.

Sie fuhr durch die Sperre.

Als erstes sah sie die Getränkeabteilung des Supermarktes. Sie nahm zwei Bierflaschen, eine Cola und eine Saftflasche, und fuhr weiter. Sie bemerkte nicht die junge Frau, die versteckt hinter den Süßwaren, durch die Ritzen zwischen den Kartons, sie beobachtete.

Etwas an dieser Frau kam ihr bekannt vor, doch Carola Finke wusste nicht, was es war. Es

war ihr schon aufgefallen, als diese Frau den Laden betreten hatte, und sich einen Einkaufswagen genommen hatte. Diese Bewegung, diese direkte und schnörkellose Eleganz mit der diese Frau ihre Einkaufstasche an den Haken hing, war ihr vertraut.

Wer ist diese Frau, fragte sie sich?

Etwas geht von dieser Frau aus, was mich an ihr anzieht! Was nur? Sie könnte meine Großmutter sein, und doch zieht es mich zu ihr hin. Eine unbekannte Kraft hat mich wohl zu ihr geführt.

Sie beobachtete, wie die Frau sich umdrehte. Erschrocken zog sie ihren Kopf ein.

Sie darf mich nicht sehen, überlegte sie blitzschnell! Sie darf nicht wissen, das ich sie beobachte.

 

 

Gerlinde spürte, das sie beobachtet wurde.

Oh nein, hoffentlich nicht schon wieder ein Dämon, der mir ans Leder will, dachte sie! Langsam macht es keinen Spaß, wenn frau müde ist, und ab und an auch ein Privatleben braucht!

Sie blickte sich um, und sah, wie etwas Schwarzes bei der Süßwarenabteilung verschwand. Na, dann wollen wir doch mal sehen, wer sich da vor mir versteckt!

Mit raschen Schritten fuhr sie mit ihrem Einkaufswagen bis zum Ende des Ganges, wendete den Wagen nach rechts; und erblickte im Nebengang eine junge Frau mit langen schwarzen Haaren, die sie mit weit aufgerissenen Augen ansah.

„Verzeihung, dadadadas wollt ich nicht!“

„Was wollten sie nicht“, fragte Gerlinde?

„Sie so anstarren, sie beobachten“.

„Und warum haben sie es trotzdem getan?“

Gerlindes Stimme klang freundlich und sanft. Etwas an dieser Stimme gab ihr Vertrauen, und so sagte sie: „ Als ich sie hineinkommen sah, fühlte ich bei ihnen etwas mir Vertrautes, etwas, was ich nicht erklären konnte. Ich fühlte mich zu ihnen hingezogen, und wusste nicht, warum. Deshalb habe ich sie mit meinen Blicken verfolgt“.

Gerlinde lächelte.

Kommt mir alles irgendwie bekannt vor, überlegte sie.

Die typische Art und Weise, wie die Göttin Lehrerin und Schülerin zusammen bringt! Wie oft habe ich das schon erlebt! Also soll sie meine neue Schülerin sein! Und dabei habe ich doch mit der Arbeit, die Nora, Anna und ich tun, mehr als genug zu tun!

Sie blickte die junge Frau an.

„Meinst du wirklich, das ich auf meine alten Tage noch eine Schülerin haben sollte, der ich mein Wissen über Magie beibringen sollte“, fragte sie lautlos die Göttin?

„Sie wird deine Schülerin sein, meine Tochter. Und sie wird deine Lehrerin sein“, hörte sie die Stimme der Göttin. „Aber sie wird noch mehr als das sein!“

„Was?“

„Das meine Tochter, musst du selbst herausfinden!“

Gerlindes Hand juckte.

Sie war nervös, und das spürte sie.

„Wie heißt du“, fragte sie die junge Frau?

„Carola Finke“, antwortete diese, und lächelte. Sie wusste nicht warum, aber sie verspürte ein noch nie gekanntes Vertrauen zu dieser für sie fremden Frau!

„Und du interessierst dich für Magie? Dem Wissen der weisen Frauen?“

Carola blickte überrascht zu Gerlinde.

Woher wusste sie das, fragte sie sich?

Niemand kann es wissen, das ich mich, seit ich als Kind von meiner Mutter in den Schlaf gesungen wurde, schon immer für Zauberei interessierte. Das ich Elfen sah, die mich beschützten! Und das ich alles vergessen hatte, bis ich vor einem Monat einen Traum hatte, und ich seither anfing, mich mit Magie und Hexen zu beschäftigen! Niemand kann das wissen! Aber anscheinend diese Frau da!

Wortlos nickte Carola.

„Nun, dann darf ich dir mitteilen, das du, wenn du möchtest, ab heute eine Lehrerin hast, die dich als Elevin ausbilden wird. Willst du?“

Ob ich will?

Was für eine Frage!

Natürlich will ich!

Carolas Atem ging schneller, als sie mit leiser, und freudig erregter Stimme ein „Ja“ hauchte.

„Gut“, sagte Gerlinde. „Ich heiße übrigens Gerlinde, und ich würde vorschlagen, das wir gleich morgen mit dem Unterricht beginnen“.

Sie griff in die Innentasche ihres Ledermantels, und holte eine Visitenkarte hervor, die sie Carola gab.

„Vielleicht können wir heute gegen 20 Uhr miteinander telefonieren, um einen Termin auszumachen, und damit du dir gleich aufschreiben kannst, was du als erstes brauchst?“

Carola nickte.

„Also, dann bis heute abend“, sagte Carola.

„Bis heute abend“, erwiderte Gerlinde.

Sie lächelte.

„Göttin, du bist wirklich einmalig“, sagte sie leise, und setzte gemeinsam mit ihrer neuen Schülerein ihren Einkauf fort.

 

 

Anna war müde.

Aber sie konnte nicht schlafen.

All ihre Gedanken waren bei Nora!

Sie erinnerte sich an den Blick, den Nora ihr beim Abschied auf dem Flughafen Berlin-Tegel zugeworfen hatte. Dieser Blick, der Verlangen und Begehren verhieß, ein Blick, den sie schon lange nicht mehr gesehen hatte.

Sie spürte, wie das Begehren in ihr stieg, das Verlangen nach Noras Körper. Ihre Hände, die Anna Zärtlichkeit verhießen. Und sie spürte die Hitze des Verlangens nach Nora!

„Und wenn sie tausendmal eine Hete ist“, sagte sie zu sich, „so werden wir miteinander eines Tages schlafen! Und sei es nur, um diesen Druck in uns zu verlieren!“

Das Telefon klingelte.

Sie drehte sich in ihrem Bett, in dem sie lag, herum, und griff zum Hörer des Telefons, das auf dem kleinen Nachtisch neben ihrem Bett stand.

„Ja, wer ist da“, fragte sie?

„Ich! Nora! Kannst du auch nicht schlafen?“

„Nein, ich muss andauernd an dich denken!“

„Ich auch“.

Sie hörte, wie Nora einen kurzen Augenblick schwieg.

„Dann komm“, sagte Nora zu ihr!

„Okay, Baby“, erwiderte Anna, und setzte ihr siegessichere Butch-Lächeln auf. „Ich werde in einer halben Stunde bei dir sein. Soll ich was mitbringen?“

„Nur dich, Anna! Nur dich und dein Begehren!“

Sie hörte, wie Nora sachte den Hörer in die Gabel ihres Telefons legte. Sie folgte ihr. Mit der beschwingten Bewegung einer jungen Katze sprang sie aus ihrem Bett, und ging zu ihrem

Kleiderschrank. Sie wählte ein kurzes schwarzes Top, eine enge blaue Jeanshose und ihre heißgeliebte schwarze Lederweste aus, die sie mit raschen Bewegungen anzog. Sie ging ins Bad, und putzte sich ihre Zähne, denn sie wollte aus dem Mund frisch riechen, damit Nora bei ihrer gemeinsamen Nacht nicht in Ohnmacht fiel.

Ein Blick in den Spiegel ihres Bades sagte ihr, das sie sich kämmen sollte, denn ihre Haartolle saß schief. Ein wenig Gel, ein paar rasche Handbewegungen mit dem Kamm, und alles saß perfekt.

Sie lächelte.

„Nacht, ich bin bereit“, sagte sie.

Sie drehte sich um, und verließ mit raschen Schritten ihre Wohnung, einer verheißungsvollen Nacht entgegen.

 

 

 

 

 

 

ENDE

 

 

 

 

Werden Anna und Nora nach dieser Nacht ein Paar?

Wer ist Carola Finke?

Was versucht Hanim und seine Dämonen, um die Macht der drei Hexen zu zerstören?

Wird Gerlinde eine Liebe finden?

Wenn Ihr auf diese und andere Fragen eine Antwort sucht, dann verpasst nicht die nächste Episode der „Macht der drei Hexen

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