Die Entstehung des Kosmos steht ganz am Anfang. Indem wir den Ursprungsmythos verstehen, erhalten wir Einsicht in einen inhärenten Teil einer Kultur.
Vor der Verschriftlichung der Mythen wurden diese mündlich weitergegeben und über die Jahrhunderte an die aktuellen sozialen Bedürfnisse angepasst, so dass einige von ihnen verschiedene Traditionsschichten aufweisen (z.B. sehr deutlich am Inanna-Ishtar Mythos aus Mesopotamien zu sehen - siehe dafür Verena Zingsem "Göttinnen großer Kutluren").
Im Vergleich der unterschiedlichen Indo-Europäischen (IE) Mythen (und auch von Nachbarkulturkreise) ist es möglich einen eher allgemeinen Mythos daraus zu formulieren und diesen innerhalb eines gewählten Kulturkreises in unterschiedlichem Maß als Variation wiederzufinden: Zunächst gibt es Chaos und Kosmos. Während Kosmos „Ordnung“ und „Schönheit“ bedeutet, ist das Chaos das rohe Potenzial , die "große Leere“ und im Übertragenen Sinne als „Unordnung“ wobei hier mehr der Gedanke dahinter steht, dass die gewohnten Regeln des Kosmos, was die Welt in gewisser Weise zumindest ein wenig „berechenbar“ macht und eben ordnet, außer Kraft gesetzt wird. Doch auch Chaos, das „Potenzial“, ist notwendig, aber es muss aufgefangen und kanalisiert werden, manchmal sogar in einem echten "Chaoskampf " in dem in der Regel ein Held mit einer Serpentinen- Drachenfigur („Chaos“ – oder besser „Unordnung“) kämpft . Kraft und Energie nützen wenig, wenn man sie nicht kanalisiert und für etwas Sinnvolles einsetzt.
Der geordneten Kosmos wird oft durch eine axis mundi symbolisiert: Eine Weltensäule, einem heiligen Berg oder ein Baum. Der Baum ist das sichtbare, strukturierte, „geordnete“ Universum. An seinem Fuß befindet sich eine sprudelnde Quelle: Die Quelle des Chaos. Dieses „reinsprudeln“ des Chaos in den strukturierten " Kosmos " kommt einer Speisung gleichen. Der Baum trägt Früchte, die wieder in das Wasser fallen und zu den „Samen des Kosmos " werden, aus denen andere Schöpfungen entstehen. In diesem Grundmythos, im Austausch zwischen Chaos und Kosmos, sehen wir schon das Prinzip des *ghosti, des Gegenseitigen Austausches am Werk (Serith 25-32 ) .
Diesen Mythos können wir der Kategorie „Schöpfung aus dem Chaos“ zuordnen ( " Creation Myth" ), obwohl wir in einigen IE Kulturen auch die Schöpfung ex nihilo finden, wo die Schöpfung durch ein gesprochenes Wort, einen Gedanken oder einer körperlichen Sekretion eines Schöpfergottes ins Dasein gebracht wird z.B. Ymir der Nordische Ur-Riese, der durch die Verschmelzung von Feuer und Wasser und einem Tropfen " Eiter " erschaffen wird. Natürlich erinnert uns das auch an den "Samen des Kosmos ", so dass Mischformen in den Kategorien zu finden sind.
Indem wir im Ritual den Kosmos wiedererschaffen weihen wir den heiligen Raum und verbinden uns mit illo tempore, der mythischen ersten Zeit (Eliade " Heilige " , 30f ). Wir können den Kosmos als die drei Welten erschaffen (Obere Welt, Mittlere Welt, Unterwelt) oder die drei Reiche von Himmel, Land und Meer. Dort wo sich die Welten überlappen befindet sich das heilige Zentrum, wo wir die Tore öffnen können und mit unseren Göttern leichter kommunizieren können. Wir erschaffen den Kosmos, so dass wir unsere eigene heilige Mitte in uns und Orientierung in der Welt finden können. ( Thomas "Re- Creating " ).
Während die Mythen ex nihilo oder die Erschaffung aus dem Chaos uns sagen wie der Kosmos entstanden ist, gibt es andere Mythen, die uns erzählen, wie wir durch unser Wirken die kosmische Ordnung aufrecht erhalten können. Dies sind die Mythen der Kategorie Schöpfung durch Zerstückelung eines Urwesens. In diesen werden die "Welte(n)" aus den Körperteilen eines ursprünglichen Wesens, das getötet wird, gebildet. Im IE Kulturen ist dieser Mythos oft durch die Zwillingsbrüder " Mann" und "Zwilling" vertreten. Üblicherweise wird "Zwilling " durch "Mensch" getötet, zerstückelt, und aus seinem Körperteilen wird die Welt erschaffen. " Mann" wird damit der erste Priester, während "Zwilling" das erste Opfer wird (Winn 159f ). Beispiele hierfür können im Mythos der Aufteilung des vedischen Purusha "Person" zu sehen sein, in der Edda durch Ymir "Zwilling", während bei der Gründung Roms , Romulus seinen Bruder Remus tötet (Thomas "Nature "). In den Zerstückelungsmythen ist in der Regel das Urwesen schon da. Während also die Zerstückelung des "Zwillings“ die Schöpfung der Welten ist "wie wir die Ordnung kennen", ist es sie nicht die Schaffung der ersten Wesen und "Dinge".
Von Anfang an wird ein Gleichgewicht zwischen Kosmos und Chaos durch einen lebenswichtigen Austausch zwischen ihnen gesucht. Doch nur durch den Zerstückelungsmythos wird den Menschen gezeigt, wie wir selbst an diesem Prozess teilhaben können und so zu Bewahrern der kosmischen Ordnung werden können. Auf diese Weise erhalten wir eine Bewältigungsstrategie, wie man Unordnung und Ordnung ausgleichen kann.
Die Zerstückelungsmythen können deutlich als das erste Opfer gesehen werden, das in der mythischen Zeit zum ersten Mal durchgeführt wird. Thomas („Nature“) setzt dies mit der Transformation vom Mikrokosmos zum Makrokosmos gleich, vom Zwilling zur Erschaffung des Kosmos. Der Kreis schließt sich da das Opfer in der Speisung des Kosmos das Leben regeneriert. Es ist notwendig, den Kosmos mit Chaos zu ernähren, denn ohne diese Nahrung würde der Kosmos zu einem wunderschönen, aber „steifen und spröden Kristall“ werden ( Serith "sacrifice" ). Durch die Verbindung der drei Heiligtümer (Baum, Quelle und Feuer) zu den drei Welten und der Durchführung eines Opfers, helfen wir das Gleichgewicht des Universums zu halten, wie es in den Zerstückelungsmythen getan wurde.
Das gegenseitige Verhältnis von Chaos und Kosmos, ist die erste ghosti-Beziehung und die Zerstückelung der erste Präzedenzfall in der mythischen Zeit, durch deren Wiederholung wir uns damit Rückverbinden, um auf diese Weise die rta, Ordnung der Dinge anzuerkennen (Dangler "Nine Tenets "). In zeitgenössischen "Kosmotheistischen" Religionen wird das im Anklang an die Antiken Bräuche durch eine gemeinsame Mahlzeit getan, allerdings ohne Schlachtungen und Tieropfer.
Durch die Teilnahme an der heiligen Mahlzeit werden wir Teil jener ersten Zeit. Wir halten das Gleichgewicht im Außen um das Gleichgewicht im Innen zu behalten und haben eine Bewältigungsstrategie im Umgang mit Chaos.
Quellen:
- "Chaos (cosmogony)." Wikipedia. Wikimedia Foundation, 11 July 2013. Web. 08 Nov. 2013. <https://en.wikipedia.org/wiki/Chaos_(cosmogony)>.
- "Creation Myth." Wikipedia. Wikimedia Foundation, 29 Oct. 2013. Web. 07 Nov. 2013.
<https://en.wikipedia.org/wiki/Creation_myth>. - Dangler, Michael J. "Nine Central Tenets of Druidic Ritual." Ár NDraíocht Féin: A Druid Fellowship. N.p., n.d. Web. 24 Oct. 2013. <https://www.adf.org/articles/cosmology/nine-tenets.html>.
- Eliade, Mircea. Das Heilige Und Das Profane: Vom Wesen D. Religiösen. Frankfurt Am
- Main: Insel-Verl., 1998. Print.
- Serith, Ceisiwr. Deep Ancestors. Practicing the Religion of the Proto-Indo-Europeans.
- Tucson: ADf, 2009. Print.
- Serith, Ceisiwr. "The Nature of Sacrifice." Ár NDraíocht Féin: A Druid Fellowship. N.p., n.d. Web. 29 Oct. 2013. <https://www.adf.org/articles/cosmology/nature-of-sacrifice.html>.
- Thomas, Kirk. "Re-Creating the Cosmos and the Sacred Center of the Worlds." Oak Leaves 61 (2013): 21-25. Web.
- Thomas, Kirk. "The Nature of Sacrifice." Ár NDraíocht Féin: A Druid Fellowship. N.p., n.d. Web. 29 Oct. 2013. <https://www.adf.org/articles/cosmology/nature-of-sacrifice.html>.
- Winn, Shan M. M. Heaven, Heroes, and Happiness: The Indo-European Roots of Western Ideology. Lanham: University of America, 1995. Print.
Dieser Artikel basiert auf meine Englischen Essay zu Cosmology 1 Frage 1.