Es war ein regnerischer Tag an dem die Versammlung für religiöse Toleranz im Gedenken an die gefällte Donareiche stattfand. Mit der Unterstützung von Donar und Taranis fiel jedoch während unserer Versammlung kein einziger Wassertropfen.
Bereits auf dem Weg dorthin passierte ich mit dem Auto Mitglieder von Wodan’s Erben, die mit einem Banner und mittelalterlicher Gewandung unterwegs waren. Sofort lächelte ich und dachte: „Hier bin ich richtig“ – auch wenn ich mich entschlossen habe nicht gewandet zu gehen.
Voenix, ein Künstler und Buchautor, vor allem bekannt durch seinen „germanischen Götterhimmel“, "keltischer Götterhimmel", dem "germanischen Götterorakelt" und unterschiedlichen Geschichten zu den germanischen Göttern (z.B. Asgardsagen) hat zu dieser Versammlung aufgerufen. Den „Stein des Anstoßes“ gab die 1999 aufgestellte Statue des Bonifatius auf dem Stumpf der gefällten heiligen Donareiche. Der Mönch hat 723 unserer Zeitrechnung in Hessen stark missioniert und die Donareiche im entsprechenden Heiligtum gefällt (oder fällen lassen) und der Legende nach mit ihrem Holz eine Kapelle gebaut.
Auf dem Domplatz zu Fritzlar fanden sich alle Heiden ein, die diesem Ruf gefolgt sind. Fritzlar soll von Friedeslar, „Ort des Friedens“, kommen. Die Veranstaltung sollte ebenso in „Frieden“ stattfinden und eine „pro“ – Veranstaltung sein, wie Voenix in einem seiner Pressekundgebungen vor der Versammlung verlauten ließ.
Anwesend war eine Interessante Mischung an Heiden aller Alterstufen, von 2 Monaten bis zum Rentner. Sehr schön war die Anwesenheit unterschiedlicher heidnischer Gruppierungen: Asatrus, Wiccas, Druiden, keltische Rekonstruktionisten und wahrscheinlich noch viele andere. Besonders schön auch, dass viele als Familien auftraten und so viele Kinder anwesend waren. Von den ca. 116 Anwesenden ging ich zunächst davon aus, dass 2-4 die wahrscheinlich der völkisch- rechten Seite zuzuordnen sind. Dies hatte bei mir etwas Unbehagen hervorgerufen. Im Nachhinein erfuhr ich, dass es sich da angeblich nicht um rechts-völkische handelte, sondern um Menschen, die gerne absichtlich mit einem solchen Auftreten provozieren wollen. Gut, jedem das seine. (es stellt sich mir aber schon die Frage, ob ausgerechnet eine solche Provokation sinnvoll ist..... ) Dies alles natürlich soweit die Info stimmt. Zuvor hatte ich noch meinen Wunsch geäußrt, dass die Organisation sich klarer gegen rechts abrenzt.
Wir stellten uns in einem Kreis um die Statue und zwei Frauen liefen mit Räucherungen umher. Sie waren schön gekleidet und Eichenkränze leuchteten auf ihren Köpfen. Vor allem die blonde strahlte eine starke und souveräne Frauenkraft aus. Volkert Volkmann, Musiker von der Comardiia Druiidiacta Keltia und dem heidnischen Dachverbandes KultUrgeistern eröffnete die Versammlung mit Harfenklängen und einem Lied. Die Musik war gut gewählt. In der Atmosphäre der Klänge hing Voenix an die Stelle des Domes den die Statue des Bonifatius in der Hand hielt eine Maske des Grünen Mannes. Es folgte eine Rede von ihm, die damit begann, dass er zunächst von seinen Gefühlen übermannt wurde. Er rief auf, dass wir noch da sind.
Christian Kordas, Herdwart für das Ruhrgebiet vom Eldaring hielt sehr souverän eine Rede darüber, dass es nicht nur um Toleranz zwischen den Religionen ginge, sondern dass auch die unterschiedlichen Gruppen innerhalb des Heidentums Toleranz zeigen sollten. Er rief auch dazu auf, dass wir lokal nach Kontakten suchen sollen, auch zu unterschiedlichen Gruppen und schauen wie man gemeinsam dort in Aktion treten könnte, eventuell auch altes Brauchtum wieder pflegen könnte. Besonders schön auch sein Satz, dass das moderne Heidentum sich nicht auf Mittelaltermärkten abspiele, sondern im Leben stattfinde.“
Voenix erklärte dann ein paar Hintergründe zur Aktion. Sehr fair zum Künstler lobte er diesen.
Auch Volkert Volkmann Sprach redegewandt zu uns darüber, dass er viele Mails von Heiden erhalten hat, die auch kommen wollten aber Angst hatten.
Carmen und Gerhard zwei OBOD Barden gaben noch einen weiteren Musikalischen Beitrag über die gefällte Eiche zum Besten. Es gab eine Schweigeminute und einen Tanz zu dem mehrere Leute kräftig in die Trommel schlugen. Auch gedichte wurden gelesen. Nach dem offiziellen Teil der gut eine Stunde gedauert hatte löste sich die Gruppe auf und einige gingen noch zum Grillen zu einer nahen Hütte.
Die Stimmung vor Ort war sehr schön und friedlich, insbesondere die Kirchenglocken schienen uns regelrecht zu unterstützen und erklangen wie eingeprobt zu sehr passenden Stellen.
Ich unterhielt mich mit einem Druiden den ich vom Druidry Camp vor ein paar Jahren kannte und auch mit einem Mitgliedern aus dem Eldaring sehr gut. Mit einem Vater dessen Sohn so alt wie meiner war unterhielt ich mich auf dem Weg zum Parkplatz – er ist für diese Versammlung 3 Stunden in eine Richtung mit dem Auto gefahren. Meine zehminütige Fahrt war da nichts im Vergleich. Etwas traurig war ich darüber, dass ich niemanden von den verschiedenen Gruppen und Stammtischen aus dem Kasseler und Schwalm-Eder-Kreis entdeckte. Von den rund 20 Leuten die ich aus der nächsten Umgebung besser oder weniger kenne war ich die einzige anwesende. Ich fragte mich warum (von einigen kannte ich die Antwort, da ich sie angeschrieben hatte).
Die Rede von Volkert Volkmann hatte mich besonders berührt, denn er hat angesprochen, was mich während meiner Anwesenheit dort bewegte. Einerseits wollte ich Gesicht zeigen und da sein, andererseits hatte ich Angst dabei. Das war kein Thema, als ich noch Studentin war und als ich noch in meinem Erstberuf war. Doch in meinem jetzigen Beruf ist es etwas anders – glaube ich zumindest. Ich stehe zu meiner Religion, gebe wenn gefragt Auskunft – und doch hatte ich gerade Angst. Angst ob einige Anwesenden zum völkischen oder rechtsextremen Lager gehören und ich mit ihnen in einen Topf geschmissen werden könnte. Volkert sprach genau diese Angst an und es ist eigentlich ein Unding. Es ist ein Unding, im 21. Jahrhundert, in einem Land in dem man Grundgesetzlich verankert Religionsfreiheit hat Angst haben zu müssen wegen seiner Religion nicht ernst genommen zu werden. Ich nehme meine Religion ernst – ich weiß aber, dass meist aus Unwissenheit und Unverständnis Vieles missverstanden wird. Es ist manchmal leichter sich lustig zu machen als verstehen zu wollen. Entsprechend entbrennt ausgerechnet in einigen Kommentaren die „Kleiderfrage“.
Interessant ist dabei aber auch die Feststellung, dass vor Ort etwa 1/3 gewandet waren – die Presse aber hauptsächlich diese Bilder zeigte. Ja ich glaube ohne hätten „wir“ es nicht auf die Titelseite der „Heimatnachrichten“ geschafft. Leider glaube ich nicht, dass durch solche Bilder eine seriöse Akzeptanz erzielt werden kann.
Zwei Artikel sind mir bisher bekannt die veröffentlicht wurden, beide zeigen sich von neutral bis positiv.
Zum Artikel in der HNA
Zum Artikel in den Heimat-Nachrichten
Der Artikel aus den Heimat-Nachrichten wirkt auf der Titelseite etwas reißerisch: Ein anwesender Druide in Kleidung die an Miraculix erinnert (wohl gerade deshalb) wurde neben der Statue abgelichtet und auf der Titelseite abgedruckt. In großen Lettern steht „100 Bilbos für das Leben“ das bezieht sich zwar auf einen anderen Artikel, birgt aber für Herrn der Ringe – Kenner eine gewisse Note mit sich. Der Titel des Artikels dort ist „Im Namen Odins“ (um den es gar nicht ging) auf der ersten Seite und später „Ein Heidenspaß. Naturreligionen erobern den Domplatz.“ Der Autor, Dr. Sven Hilbert mischt auch schön die Pantheone, immerhin zitiert er Voenix zwei mal „Es ist traurig und eine Schande, dass man es heute noch nötig hat, sich mit so einem Denkmal zu brüsten“ und „Es ist dringen d an der Zeit, dass die alten Götter wieder ihren Platz bekommen und das die Menschenwissen, dass wir noch nicht tot sin. Wir Heiden leben noch!
Leider haben beide Artikel kurz den Hintergrund von Bonifatius und der Donareiche erklärt, aber keines hat die Chance genutzt kurz ein paar Worte zu den Naturreligionen zu sagen.
Ich denke, dass genau hier nämlich die Krux vergraben liegt.
Oder um es mit den Worten eines Nachbarn von mir zu sagen, der sich beruflich mit Religion auskennt: „Was du so erzählst erscheint mir wie eine Parallelwelt. Wenn ich dich nicht kennen würde und du nicht darüber erzählen würdest, würde ich gar nicht wissen, dass ihr existiert“. Ich denke das ist der Hauptpunkt. Auch in den Kommentaren zum Onlineartikel wurde das erwähnt: „Wie soll man sich bewusst sein, dass man durch diese Statue Menschen verletzt von deren Existenz man gar nichts weiß“.
Ich hätte mir eine kleine Hintergrundsinfo zu den Naturreligionen gewünscht, etwa so:
Die geschätzten 100.000 in Deutschland lebenden Neuheiden werden zu den neuen religiösen Bewegungen gezählt. Sie leben eine Naturreligion die sich an den Mythen vorchristlicher Völker orientiert und eine moderne Wiederbelebung insbesondere keltischer und germanischer Religion und ihrer Götterwelt darstellt. Zentrales Merkmal ist nebst dem Glauben an viele Götter und Göttinnen, der Glaube an die Beseeltheit der Natur, die Orientierung am Jahreskreis, der Ahnenkult und die Ablehnung einer absoluten Wahrheit. Dabei handelt es sich um eine globale Bewegung und mehrere Glaubensgemeinschaften sind in unterschiedlichen Ländern (Dänemark, Schweden, Island, USA, England) bereits als Religionsgemeinschaften staatlich anerkannt.
(dieser Text darf gerne in zukünftigen Artikeln benutzt werden ;-))
Da ich noch nicht dazu gekommen bin eigene Bilder online zu stellen hier ein paar Links:
Zum Bericht der Aktion von Voenix
Zur Bildergalerie von Voenix
Zum sehr empfehlenswerten und umfassenden Bericht von Sebastian Krebel (die Aktion kann komplett auch auf Video angeschaut werden! Interessant auch die persönlichen Statements.)