Im Juni 2017 wurde ich als die erste europäische Priesterin von Ár nDraíocht féin ordiniert. Da wir nicht so viele Mitglieder in Europa haben, habe ich es zunächst einfach als eine „große Sache“ für mich persönlich gesehen. Nach der Reaktion unseres Erzdruidens auf meine Ernennung zur Priesterin (Archdruid Blog „Accept our offeringshttps://www.adf.org/blogs/ad/04032017-0950 ) und zwei Gespräch mit zwei unterschiedlichen Protestantischen Pastoren erkannte ich, dass die Bedeutung auch etwas über meiner persönlichen hinausgeht.

Im Gespräch mit den beiden Pastoren konnte ich merken, wie es ihre Wahrnehmung über Paganismus beeinflusst, als ich ihnen von den Inhalten meiner Ausbildung innerhalb einer internationalen Paganen Religionsgemeinschaft berichtete und das wir jetzt Priester in drei unterschiedlichen Ländern haben. [ADF ist in den USA als Church „Kirche“ anerkannt. Die Wahl des Begriffs basiert auf den dortigen Gesetzen. Im ADF ist man offiziell PriesterIn wenn man als solche anerkannt wird. Die Ordination, die offizielle Zeremonie dazu mit Überreichung der Stola erfolgt zu einem meist späteren Zeitpunkt].
Wir sind natürlich immer noch „klein“ im Vergleich zu den großen christlichen Kirchen, aber beide haben bisher gedacht, dass die Pagane Bewegung nur aus kleinen autonomen Randgruppen bestünde ohne viel Organisation oder Struktur dahinter – und es ist diese Wahrnehmung die sich etwas änderte.

Alles steht für das Ritual bereit

Meine Ordination fand in meinem Nemeton (Heiliger Hain, Ritualplatz) statt, wo der Adrana Hain, Protohain ADF, die meisten Riten feierte. Es war ein sonniger Tag und deutschsprachige ADF Mitglieder, Hain Mitglieder und (Pagane) Freunde aus unterschiedlichen Traditionen reisten tatsächlich von allen Ecken Deutschlands an. Es gab Menschen die zum ersten Mal an einem Ritual teilnahmen und Menschen, die sehr selten an Gruppen ritualen teilnehmen und Menschen die durchaus Konflikte miteinander hatten.
Ich fühlte mich sehr geehrt, dass sie alle den Weg auf sich nahmen und zusammenarbeiteten um dies zu einem wundervollen Ritual zu machen. Besonders war für mich auch wirklich die Anwesenheit so vieler unterschiedlicher Traditionen.

Die Teilnehmer treten in den Nemeton ein und werden am Eingang gereinigt

Meine Ordination wurde von Drum durchgeführt, dem amtierenden Erzdruiden (Vorstandsvorsitzenden) von Ár nDraíocht Féin (ADF). Er war für mich zusätzlich ein wundervoller und inspirierender Gast und wir verbrachten die drei Tage die er zu Besuch war nicht nur mit besser kennen lernen und das Ritual durchsprechen, sondern auch mit dem Besuch einiger Paganer Stätten in der Umgebungen und ich hatte Spaß ihn viele deutsche Gerichte probieren zu lassen. Er war das zweite ADF Mitglied außerhalb von Deutschland (und Tschechien) und der zweite ADF Priester überhaupt, den ich kennen gelernt habe (In 2014 haben wir unser erstes ADF Treffen in Deutschland gemacht und Rev. Nancy McAndrew nahm daran teil und ebenso in 2014 ging ich zu einem Druidencamp nach Tschechien, wo ich auch ADF Mitglieder traf). So war es tatsächlich ein etwas merkwürdiger Punkt, dass ich ordiniert wurde und außer dem Ritual das wir mit Nancy gemacht haben, die ADF Rituale an denen ich teilgenommen hatte jene waren, die von mir selbst geleitet worden waren. Aber ich glaube, dass ich während meiner 7 jährigen Ausbildung jedes  ADF Video gesehen habe, was ich auf YouTube finden konnte. Natürlich war meine vorherige Ausbildung bei der SOL auch hilfreich gewesen.

Wiedererschaffung des Kosmos, erschaffung des heiligen Raumes


Drum und ich haben beschlossen das Ritual auf Deutsch durchzuführen und nur ein paar wenige Abschnitte, wie z.B. meine und seine Einleitenden Worte und das von ihm gesprochene Omen würden übersetzt werden. Die Übersetzung übernahm ein ADF Mitglied, das länger in den USA gelebt hatte.

Das Ritual folgte zunächst dem üblichen Grundablauf. Anders war aber, dass ich alle Abschnitte des Rituals selber durchführte obwohl eine Gruppe anwesend war. Normalerweise verteilen wir viele Teile unter den Anwesenden und ich übernehme meist einige kritischen Teile und leite insgesamt den Ablauf. Wir sangen aber – wie bei uns üblich – mehrere Lieder, was den Gruppen Geist gut zusammenbrachte. Für die Opfergaben habe ich ein Brot in Form eines Bienenstocks gebacken um den Dienst für die Gemeinschaft darzustellen. Dies verbindet auch meine vorherige Ausbildung und hat eine große persönliche Bedeutung.

Das Bildbrot in Bienenstockform als Opfergabe

Es gehört ebenfalls dazu etwas Haar zu opfern. Daher las ich mit einem kleinen Schöck in der Vorbereitung zum Ritual über den „Heiligen Schopf“ einer bereits ordinierten Priesterin (Rev. Jan Avende) zu lesen, die eine kleine mini Tonsur vollführt hat. Drum beruhigte mich, dass dies eine Ausnahme sei und ich nicht so viele Haare opfern müsse, wie Jan es getan habe. So lächerlich es klingt (und jetzt mehrere Monate danach noch mehr), zusammen mit der irrationalen Angst ich würde den Ritualablauf vergessen (was ich natürlich nicht tat!), eine Haarsträhne abzuschneiden war das was mir am meisten Sorgen bereitete. Ich wollte nicht zu wenig abschneiden um nicht die Götter zu beleidigen, aber natürlich auch nicht zu viel. Und ich habe extra meine Frisörin gefragt, wo ich es am besten abschneiden kann, damit es nachher nicht stört. Ein ganz anderer Ansatz also. Zurückblickend muss ich darüber lächeln, aber jeder hat so seine Marotten.

Im Anschluss wurde die Stola von einem Teilnehmer im Kreis getragen und von den anwesenden Teilnehmern aufgeladen.

Es war faszinierend zu merken, dass ich wirklich das Gewicht der Stola, die mir als Zeichen meiner Ordination um die Schultern gelegt wurde spüren konnte, noch als sie während dem Eid über mich gehalten wurde. Auch das von mir bereits bekannte Gefühl in einen Kraftstrom zu treten während ich den Schwur sprach war da. Den Eid sprach ich einmal auf Deutsch und einmal auf Englisch. Am Tag zuvor sind Drum und ich Wort für Wort der Übersetzung durchgegangen, um es wirklich treffend hinzukriegen. Der Schwur wird an der Sichel geleistet.

Eid an der Sichel mit Stola noch über den Schultern gehalten

Mit dem Anlegen der Stola wurde ein wichtiger Teil der Ordinationszeremonie vollzogen. Während einige Mitglieder durchaus auch eine persönliche Stola tragen oder es manchmal üblich ist, dass die Ritualleiter durch eine Stola ihre Leitung innerhalb eines Rituals kennzeichnen, ist diese besondere Stola eines der wenigen Sachen innerhalb des ADFs die nur den ADF Priestern vorbehalten ist.

 

Auch wenn ich schon vorher offiziell zur Priesterin ernannt wurde, 
fühlt es sich jetzt erst richtig so an.

 Drum zog in Anschluss ein Omen. Es war Straif,  Luis and Beth (Schwarzdorn, Eberesche und Birke). Drum sah darin die nächsten Ereignisse in meinem Leben mit einem Internationalen Umzug von Deutschland nach Frankreich und einer Zeit des Übergangs mit dem Schutz der Eberesche und der Birke für den Neuanfang.

Omen aus Ogham wird gezogen und verkündet

 

 Wie immer erhielten auch bei diesem Ritual die Teilnehmer einen Segen.

Nach dem öffentlichen Teil des Rituals blieben die Teilnehmer im Nemeton, trommelten und sangen bis Drum und ich vom nicht öffentlichen Teil zurück kamen und dann begann das Festmahl, das sehr klassisch mit einem Glas Sekt eingeleitet wurde.


Beim Zurückblicken muss ich sagen, dass es definitiv der stressigste Umzug bisher war. Ich hatte den Eindruck, dass ein Teil meiner priesterlichen Arbeit, die Mediation zwischen Chaos und Kosmos, anstatt auf der Spirituellen, auf einer sehr grundlegenden physischen und praktischen Ebene herausgefordert wurde. Auch die Anfangszeit war nicht einfach, da ich mir gleich drei Wochen noch Ankunft in Frankreich den Fuß brach. Insgesamt war unser Anfang nicht einfach. Aber ich fühlte mich immer irgendwo sicher und geschützt, hatte den Eindruck eines sicheren Netzes. Dennoch fertigte ich mir nach dem Bruch einen kleinen Talisman mit Luis an.

In einem neuen Land – mit noch weniger ADF Mitglieder als Deutschland - ist es definitiv auch ein Neuanfang, aber mit Lektionen aus der Vergangenheit in der Hand. Und interessanterweise öffneten sich gleich auch einige Wege.

Ein priesterlicher Weg beginnt häufig mit einer Art Ruf. Für mich war es als Kind herauszufinden, dass es einst Priesterinnen und Göttinnen gab. Ich begann in meiner frühen  Teenagerzeit die Götter praktisch zu ehren und kam in meinen späten Teenagerjahren  das erste Mal mit der der heidnischen Gemeinschaft in Berührung. Während ich mich nicht darum bemühte irgendwelche Führungsrollen aufzunehmen, passierte es häufiger, dass ich ein Gründungsmitglied von Stammtischen und Gruppen war. Schuld daran war ein sehr pragmatischer Ansatz: „Es gibt keinen Stammtisch, Lerngruppe, Ritualgruppe der ich mich anschließen kann? – Ok, dann gründe ich eben eine!“. Wichtig war mir dabei aber auch immer das Teil eines Ganzen zu sein. Deshalb auch meine Mitgliedschaft im ADF.


Ich war bereits eine Dekade vorher in die Westliche Mysterien Tradition initiiert und habe bereits geschworen dem Licht, den Göttern und Geistern und der Gemeinschaft zu dienen. Ein Schwur, der dem, den ich dieses Jahr (wieder?) geschworen habe bereits sehr ähnlich war. Zwischen meiner ersten Initiation als Priesterin der Mysterien und meiner Ordination als Priesterin von ADF mit durchaus vielen weltlichen Aufgaben habe ich ein Psychologiestudium absolviert, eine Therapeutenausbildung abgeschlossen und bin vor allem Mutter geworden. Es war irgendwo dazwischen, wo ich das gefühlt hatte, dass diese „Innere spirituelle Priesterschaft“ für mich nicht mehr genug war. Meine Suche nach einem anderen Pfad führte dazu, dass ich mich 2010 Ar nDraíocht Féin anschloss.

Ich begann meine Ausbildung auf dem Vorbereitungskurs (CTP Prelim) für die Priesterausbildung (CTP) in 2012 nach Abschluss des druidischen Pfades, unseres Grundlagenkurses (DP). Während dieser Zeit hatte ich auch einen sehr starken „Weckruf“. Nicht unbekannt durch meine vorherige Ausbildung, aber wegen der Schwangerschaften und Kindererziehung im Dornröschenschlag gelegen. Es traf mich etwas überraschen aber – wie ich später lernen würde – war der Trigger tatsächlich auch mit dem Priesterweg beim ADF verbunden. Für mich war es eine Bestätigung meines gewählten Pfades.

Anrufung der Göttinnen und Götter während dem Ordinationsritual

„Aber wie konntest du in relativer Isolation eine Priesterausbildung abschließen?“ War eines Frage, die mir ein Mitglied aus den USA stellte. [Man muss dazu wissen, dass die meisten unserer in diesem Jahr bald 80 bestehenden (Proto-)Haine in den USA sind, wo es auch Lerngruppen etc. gibt. Es ist aber nicht notwendig eine Gruppe zu haben um die Priesterausbildung abschließen zu können und der Priesterweg ist auch nicht der einzige].

Tatsächlich habe ich den ADF schon vorher gekannt, aber dass es in Deutschland noch keine Gemeinschaft gab (wir waren mit mir 4 Mitglieder in 2010 und später sogar kurzfristig nur 3) und er fast unbekannt war, war für mich lange ein Hinderungsgrund gewesen mich dem ADF anzuschließen. An einem Punkt hatte ich aber beschlossen, dass wenn der ganze Rest passt „Isolation“ eines der Dinge war, die ich aktiv ändern konnte (zumindest versuchen). So versuchte ich mitzuhelfen eine größere Gemeinschaft aufzubauen und den Bekanntheitsgrad zu erhöhen indem ich Artikel und Erfahrungen auf meiner Homepage veröffentlichte.

Aber tatsächlich war es so, dass ich in dem Moment, wo ich Mitglied wurde, mich nicht mehr isoliert fühlte. Es gab eine Gemeinschaft auf den Mailing Listen und später auf Facebook. Es gab Menschen die durch ihre Homepages und Veröffentlichungen und Videos zu meinen „Mentoren“ wurden ohne dass sie es wussten. Ich fühlte mich geleitet. Ich folgte jenen, die den Weg vor mir gegangen waren, auch wenn ihre Wege in einem anderen Land begonnen haben. Wir haben ADF Treffen in Deutschland organisiert und ich habe seit 2010 Jahreskreisfeste  organisiert, die ab 2011 spätestens komplett im ADF Stil abgehalten wurden. In 2014 wurden wir zu einem offiziellen ADF Protohain.

Ich hatte nicht das Gefühl, dass es in den Kursen, die ich absolviert habe so viele negative Aspekte gab. Jene die weniger Spaß machten waren zum Glück selten. Ich habe die Kurse wie meine universitären Seminare behandelt und einen fast „Heiligen Zeitplan“ erstellt und meistens konnte ich mich ganz gut daran halten. Es gab einen Punkt an den ich mich erinnern kann, wo ich etwas frustriert wurde, weil Mythologie 2 einfach seinen eigenen Rhythmus hatte. Ich habe mich selbst dabei etwas zu sehr gestresst, die „verlorene Zeit“ wegen einer größeren Prüfung in meinem Beruf einzuholen, später kam der nahende Umzug dazu. Ich realisierte natürlich an einem Punkt dass ich mir selbst zu viel Druck machte und akzeptierte dass manche Dinge die Zeit brauchen die sie brauchen.

Als ich mein Portfolio einsandte hatte ich bereits aufgegeben meine Ordination noch in meinem Nemeton zu erleben, der Umzug rückte ja schon in fast greifbare Nähe. Aber Drum machte es noch möglich. Es passte gut zu seinen Reiseplänen in Europa.

Die Ordination war das letzte Ritual im Nemeton. Das nächste Ritual war das „Runterfahren und Zuschließen“ des Nemetons und ihn in den Schlaf versetzen, da das Haus mit dem Grundstück auf dem der Nemeton stand vermietet wurde. Ich füllte die Energie der Rituale in zwei Steine. Eines war mein Tempelstein der schon seit Jahren mit mir war und eines ein Stein, der speziell für diese Gelegenheit ausgewählt wurde. Er blieb mit einem der Stellvertretenden Protohain Organisatoren. Ein Monat nach meiner Ordination sind meine Familie und ich nach Frankreich gezogen. Es ist also auch eine Testzeit für den Protohain, denn ich bin nicht mehr so häufig vor Ort. Viele Aufgaben konnten aber verteilt werden und die Mitglieder wachsen mit ihren Aufgaben.

Eine Zeit des Webens der Bänder zwischen neuen und alten Freunden und Begleitern, neuen und alten Göttern hat begonnen.

 

Dies ist eine Übersetzung und Erweiterung des in OL Autumn 2017 erschienen Artikels „Stepping into Priesthood“.
Alle Bilder wurden von Jan Wieland gemacht und mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

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