Hier werden die 9 wichtigsten naturreligiösen Glaubensinhalte vorgestellt werden. Ich habe mich dabei von Gus di Zerega (2001) inspirieren lassen und einen Teil seiner Arbeit hier mit einfließen lassen. Diese Glaubensinhalte treffen nicht immer für alle westlichen neuheidnischen Religionen im gleichen Maße zu, aber für die meisten. Zum leichteren Verständnis zeige ich die Unterschiede zum Christentum auf, so dass man damit auch leichter mit Andersgläubigen darüber diskutieren kann.

 

 

1. Pantheismus und Panentheismus „Alles ist das Göttliche“ und „ Das Ganze ist mehr als seine Teile“
Die Natur, die Welt, der Kosmos werden als Ausdruck des Göttlichen gesehen und erhalten einen besonderen Stellenwert. Die Gottheiten zeigen sich in der Natur und können auch bestimmte Naturereignisse darstellen.
Pantheismus besagt, dass es kein von der Natur und der Schöpfung getrenntes Göttliches Wesen gibt, sondern das die Natur, die Gesamtheit des Universums und der Realität das Göttliche ist. 
Panentheismus sieht das Göttliche sowohl als Teil der Welt / das Universum (imanent), zugleich ist das Göttliche aber auch außerhalb der Welt (transzendent)
Zur Unterscheidung: Der christliche Gottvater wird als ein Schöpfergott außerhalb seiner Schöpfung betrachtet. Einmal erschaffen, befindet er sich nicht in ihr, so wie der Künstler von seinem Werk getrennt ist.

2. Animismus „alles hat einen Geist“
Animismus bezeichnet die Beseeltheit der Natur, so dass nicht nur der Mensch, sondern auch Tiere, Pflanzen, Bäume, Steine, Flüsse etc. eine Seele oder einen Geist besitzen mit dem es möglich ist zu kommunizieren.
Zur Unterscheidung: Im Christentum wird nur dem Menschen eine Seele oder einen Geist zugesprochen.

3. Polytheismus „Es gibt viele Götter und Göttinnen“
Bezeichnet den Glauben an mehrere Götter und Göttinnen. Dabei sind die unterschiedlichen Interpretationen innerhalb des Heidentums (Alle Göttinnen sind eine Göttin, die Gottheiten sind Archetypen etc.) erst einmal irrelevant.
Unterscheidung: Das Christentum ist eine Monotheistische Religion „Es gibt nur eine allumfassende Gottheit“. Unterschieden muss aber auch der sogenannte Henotheismus „Es gibt eine höchste Gottheit, die bete ich am meisten an, aber manchmal bete ich auch zu den „untergeordneten“ Göttern“. Das Christentum und Judentum selbst waren in ihrem Ursprung henotheistisch, wie man auch heute noch den entsprechenden  Heiligen Büchern entnehmen kann und wie die archäologischen Befunde beweisen.

4. Die Göttin "Das Göttlich-Weibliche"
Die Göttin (oder Göttinnen) könnte genauso unter Polytheismus stehen, ich gebe Ihr aber einen besonderen Platz in dieser Aufzählung weil Sie es ist, die für viele besonders wichtig ist, häufig sogar überhaupt der Grund, warum sich manche nach einer anderen Religion umschauen. Sie tritt häufig als gleichberechtigte Partnerin auf, manchmal auch in henotheistischer Weise an der Spitze, manchmal spielt sie aber auch eine untergeordnete Rolle neben einem höchsten männlichen Gott, manchmal regiert ein Götterpaar. Überdurchscnittlich viele vorchristliche Religionen kennen allerdings eine Urgöttin aus der alles entstand.
Unterscheidung zum Christentum: Es ist nicht ein Gottvater der auch „wie eine Mutter“ liebt, sondern es ist eine Mutter und Sie wird auch so angesprochen.

5. Ahnenkult
Jene die vor uns kamen werden verehrt. Manchmal sind sie eine Gemeinschaft der Ahnen, manchmal werden sie zu Geistern oder untergeordnete Götter. Der Ahnenkult muss sich nicht unbedingt mit dem Glauben an eine Wiedergeburt widersprechen. Dabei handelt es sich um die Gemeinschaft der Ahnen und nicht nur jene die als besonders religiös gesehen werden.

6. Zyklisches denken
Die Natur legt den Maßstab und die Feste des Jahreskreises richten sich nach ihr. So erneuert sich die Natur jedes Jahr auf’s neue. Vegetationsgötter sterben jedes Jahr und werden jedes Jahr  Wiedergeboren.
Unterscheidung zum Christentum: Es handelt sich nicht um ein linear - historisches Ereignis dessen gedenkt wird, wie z.B. bei den Christen: Jesus ist im Jahr XY gestorben und jedes Jahr wird an seine Kreuzigung gedacht, sondern um ein ganz aktuelles Ereignis, z. B.: Der Sonnengott wird "jetzt in diesem Jahr" wiedergeboren, er ist nicht vor X Jahren geboren und er wird nächstes Jahr wiedergeboren werden.

7. Keine absolute Wahrheit
Da die Natur den Maßstab setzt kann es keine EINE Wahrheit geben, denn die Natur zeigt viele Gesichter. So feiern Heiden auf der nördlichen Halbkugel die Wiedergeburt der Sonne zur Wintersonnenwende am kürzesten Tag des Jahres im Dezember. Doch „unser“ System ist nicht die Wahrheit für alle, denn auf der Südhalbkugel ist im Dezember der längste Tag des Jahres und die Sonne steht in ihrer größten Kraft. Wir können unmöglich von diesen Menschen fordern, dass sie unsere Wahrheit übernehmen, wenn die Natur ihnen vor Ort doch ein völlig anderes Gesicht zeigt. Es gibt viele derartiger Beispiele: In äquatorialen Gegenden werden die Jahreszeiten kaum durch die Sonnenwenden bestimmt, sondern durch andere natürlichen Begebenheit (Hochwasser, Monsoon etc.), in Mediterranen Gegenden kennt die Natur zwei Winter (einen heißen und einen kalten) und erblüht zweimal im Jahr, oder die Kornernte findet sehr viel früher statt z.B. in Südfrankreich zur Sommersonnenwende. Die Natur an dem Ort, an dem man sich gerade befindet zu der Zeit in der man lebt setzt den Maßstab; keine Überlieferung. Da unsere Gottheiten in der Natur selbst sind, brauchen wir auch keine heiligen Bücher, die uns eine „Wissensspritze“ einer Gottheit durch einen Propheten mitteilen, denn jeder kann raus gehen und selbst spüren, erfahren und „lesen lernen“, aus dem großen Buch der Natur.
Unterscheidung zum Christentum: Der christliche Schöpfergott ist von der Schöpfung getrennt und muss so durch Propheten kommunizieren und Hilfsmittel wie „Heilige Schriften“ benutzen, die im christlichen Glauben von ihm inspiriert wurden. Entsprechend wird im Christentum von einer absoluten Wahrheit ausgegangen, die unterschiedlichen christlichen Traditionen sind sich nur nicht einig welche Interpretation des Textes nun die richtige ist.

8. Akzeptanz von Körperlichkeit und Sexualität
Durch Sexualität kann Leben erschaffen werden. Sexualität ist Teil des Lebens. Durch unseren Körper können wir erfahren und ausdrücken. Sexualität und Körperlichkeit zu verneinen bedeutet das was das Leben selbst erschafft zu verneinen. Die neuheidnischen Religionen sind im hohen Maße lebensbejadend. Askese ist selten oder nur in bestimmten Phasen Teil des westlichen Neuheidentums. Es gibt eine gesunde Einstellung zur Sexualität, die nicht verpönt wird, sondern es gibt sogar ein Fest in dem die Sexualität geheiligt wird. Das Heidentum ist auch gegenüber alternativen Beziehungskonzepten,  Homosexualität und gesunden nicht der Norm entsprechenden sexuellen Praktiken (im gegenseitigen Einverständnis) offen.
Unterschied zum Christentum: Das Christentum ist gekennzeichnet durch eine jahrtausende lange ambivalente Einstellung gegenüber der Sexualität, die erst in neurere Zeit aufzuweichen beginnt. Theologisch wird sich jedoch wenig mit der Auflösung der Ambivalnez auseinandergesetzt.

9. Kein absolutes Böse
Im Heidentum wird davon ausgegangen, dass es im Universum keine fundamental "böse" Kraft gibt. Sicherlich gibt es Kräfte, die man besser vermeidet, aber ein Konzept wie eine absolut, abgrundtief böse Gottheit, die für all das Leid in der Welt verantwortlich ist gibt es nicht. Leid wird als ein Teil der Erfahrung von Existenz gesehen, mit all der Komplexität der Intention die eine Handlung "gut" oder "böse" macht und dem Blickwinkel und den manchmal innewohnenden tieferen Sinn nicht gleich erkennen können. 
Unterscheidung zum Christentum: Da der Christliche Gottvater als die Verkörperun des abosluten Guten und der Liebe angesehen wird, muss ein entsprechender Gegenpart eingesetzt werden. Im Christentum wird diese Rolle dem Teufel oder Satan zugesprochen. Dieser hat in seiner Entwicklung einige Aspekte heidnischer Gottheiten übernommen um die entsprechenden Religionen historisch zu entkräften.

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