Immer wieder kommt in Vereinen und Petitionen das Thema der "Anerkennung" des Neuheidentums auf. In einigen Nachbarländern sind einzelne neuheidnische Glaubensgemeinschaften bereits staatlich anerkannt und den christlichen Kirchen gleichgestellt. Dabei ist zu beachten, dass in anderen Ländern andere Rechtsformen für Kirchen gelten (z.B. dürfen in den USA neuheidnische Religionsgemeinschaften (Kirchen) die den entsprechendne Status haben rechtsgültige Eheschließungen durchführen, während dies in Deutschland nur den Standesämtern vorbehalten ist). Folgend findet ihr eine Liste mit neuheidnischen Glaubensgemeinschaften, die in unterschiedlichen Ländern bereits eine öffentliche Anerkennung erhalten haben. Dabei stieß ich auf die Schwierigkeit, dass gerade in den USA wo sehr viele neuheidnische Glaubensgemeinschaften öffentliche staatliche Anerkennung erhalten haben, keine offizielle Liste zu finden ist. Gerade die Informationen aus den USA sollen hier als Ausschnitt angesehen werden und nicht als komplette Liste.
Wichtig ist noch die Anmerkung, dass die Anerkennung jeweils für eine bestimmte "Gemeinschaft" innerhalb der Religion gilt. Also nicht "Wicca" ist anerkannt, sondern "Church and School of Wicca" oder "Covenant of the Goddess". Nicht "das" Druidentum ist anerkannt, sondern "Ar ndraiocht fein (ADF)" oder "Druidnetwork". Wobei im Volksmund natürlich wie im "Christentum" auch von "Wicca", "Asatru", "Druidentum" etc. gesprochen wird. Juristisch handelt es sich aber um eine wichtige Feinheit, die auch die Beudung von Zugehörigkeit zu Organisationen unterstreicht, denn nur diese werden Statistisch gründlich erfasst!
1968: Church and School of Wicca (gegründet von Gavin und Yvonne Frost) in den USA staatlich anerkannt.
1971: Church of All Worlds (gegründet von Oberon Zell-Ravenheart) in den USA staatlich anerkannt.
1972: Ásatrúarfélagið wird in Island offiziell als Religion anerkannt.
1975: Covenant of the Goddess erhält in Californien den Status einer gemeinnützigen religiösen Organisation.
1980: Circle Sanctuary (von Selena Fox gegründet) wird in den USA als Kirche anerkannt.
1990: Ár nDraíocht Féin (ADF) wird als gemeinnützige Glaubensgemeinschaft in den USA anerkannt.
1994: House of Netjer (Kemetic Orthodoxy) wird in den USA anerkannt.
1996: Åsatrosamfundet Bifrost wird offiziell in Norwegen als Glaubensgemeinschaft anerkannt
1996: Temple of Isis wird in den USA offiziell als Kirche anerkannt
1999: Foreningen Forn Sed wird gleichfalls in Norwegen als Glaubensgemeinschaft offiziell anerkannt.
2003: Forn Siðr wird in Dänemark vom Kirchenministerium offiziell als Glaubensgemeinschaft anerkannt.
2006: Reykjavíkurgoðorð wird als weitere Asenglaubensgemeinschaft in Island vom Staat anerkannt.
2010 Druid Network in England erhielt von der Kommission für Stiftungen im Wohltätigseitsbereich den Status einer Religion.
2011: Confesión Religiosa Wicca, Tradición Celtíbera wird von der Spanischen Regierung als Religiöse Institution anerkannt und erhält im Register die Nr. 2560-SG/A. Spanien ist somit das zweite Land nach den USA und das erste in Europa in dem eine Wicca Tradition öffentlich als Religion anerkannt ist. Interessehalber die komplette Bezeichnung: Konfession: Heidentum, Religionsfamilie Wicca, Wiccazweig: Traditionelles Wicca, Tradition Celtiberia.
2012: Dem Spanischen Beispiel folgend wird in Portugal Confesión Religiosa Wicca, Tradición Celtíbera
ebenfalls als Religion anerkannt. Damit ist die Tradición Celtíbera die erste Heidnische Tradition die in zwei Ländern anerkannt ist.
2012: Shamanic Association wird in Norwegen als Glaubensgemeinschaft offiziell anerkannt.
2013: ALVA - Ásatrú Lore Vanatrú Assembly wird in Spanien als Glaubensgemeinschaft offiziell anerkannt.
2014: Aar Aiyy erhält in der sibirischen Republik Sakha, Russland, staatliche Anerkennung als religiöse Organisation
2014: Glastonbury Goddess Temple, seit 2001 ein öffentlicher Verehrungsort der Göttin (und somit lokal anerkannt), darf nun offizielle Hochzeiten durchführen. Damit kann man von einer Anerkennung her sprechen.
Teilanerkennungen:
2007 Sveriges Asatrosamfund erhält in Schweden Staatliche Unterstützung für Glaubensgemeinschaften um die nötige Anzahl an Mitgliedern für eine offizielle Anerkennung zu erhalten.
1995 erhielt Romuva unter der Leitung der Law on Religious Communities and Associations in Litauen Anerkennung als “nicht-traditionelle” Religion. Nach Littauischem Gesetz muss eine Religion mindestens 25 Jahre existieren, bevor sie staatliche Unterstützung erhalten kann, die ansonsten für „traditionelle“ Religionen reserviert ist. Die Romuvas versuchen sich demgegenüber zu Wehren mit dem Argument, dass Romuva bereits vor dem Christentum existierte.
Die Rechtslage für Deutschland*:
In Deutschland ist die höchste öffentliche Anerkennung einer Kirche die als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (K.d.ö.R., auch mit KdöR, KöR oder K.ö.R. abgekürzt) ist eine mitgliedschaftlich verfasste und unabhängig vom Wechsel der Mitglieder bestehende Organisation, die ihre Rechtssubjektivität nicht der Privatautonomie, sondern einem Hoheitsakt verdankt. Ihre Verfassung ist öffentliches Recht. Körperschaften des öffentlichen Rechts unterscheiden sich von den Körperschaften des Privatrechts (Vereine) dadurch, dass sie öffentlich-rechtlich organisiert sind und öffentlich-rechtlich handeln können.
Die traditionellen Kirchen (Katholische Kirche, Evangelische Landeskirchen und andere Religionsgemeinschaften) sind schon vor der Weimarer Zeit, also vor 1919, in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts eigener Art geführt worden. Diese Rechtsform wurde in die heutige Zeit übernommen (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV). Zugleich ermöglicht das Grundgesetz, dass auch neuere Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften diesen Status erlangen können.
Religionsgemeinschaften mit Körperschaftsstatus haben eine privilegierte Position, denn mit der Verleihung der Rechte als Körperschaft ist nicht allein das Recht verbunden, Kirchensteuer mit Hilfe des Staates einzuziehen, sondern auch die Nutzung eines sogenannten Privilegienbündels. Dabei handelt es sich um eine Vielzahl einzelner Regelungen, die in vielen verschiedenen Bundes- und Landesgesetzen enthalten sind (etwa Freistellung von ansonsten erforderlichen Genehmigungen für die Veräußerung von bestimmten Grundstücken oder Vollstreckungsschutz nach Maßgabe des § 882a Abs. 3 Strafgesetzbuch, die Beurkundungsbefugnis der öffentlich-rechtlichen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften u.a.m.).
Die Anerkennungsvoraussetzungen
Gemäß Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 Abs. 5 Satz 2 und Absatz 7 Weimarer Reichsverfassung sind Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften auf ihren Antrag hin die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen, wenn sie durch ihre „Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer“ bieten. Für die Bewertung im konkreten Einzelfall haben sich seit den fünfziger Jahren im Konsultationsprozess der Kultusministerkonferenz und der für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zuständigen Länderdienststellen sowie durch Verwaltungsgerichtsentscheidungen folgende konkretere Verleihungsvoraussetzungen herausgebildet:
- Mit „Verfassung“ ist der qualitative Gesamtzustand einer Religionsgemeinschaft gemeint: Er muss die Gewähr der dauerhaften Stabilität bieten. Dazu gehören
das Vorliegen einer Organisationsordnung, die in Form und Inhalt mindestens der
Satzung eines eingetragenen Vereins entspricht (einschließlich Regelungen über
Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft) und Vermögensverhältnisse, die diese Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft in die Lage versetzen, ihren finanziellen Verpflichtungen auf Dauer nachzukommen.
- Die Zahl der (Voll-) Mitglieder muss in einem Bundesland so groß sein, dass die Organisation eine gewisse Bedeutung im öffentlichen Leben erlangt hat. Als Richtzahl für die Untergrenze gilt in der Verleihungspraxis der Bundesländer ein Tausendstel der Bevölkerung des jeweiligen Bundeslandes. Dabei ist auch die soziale Struktur des Mitgliederbestandes (z.B. ihre räumliche Verteilung und örtliche Dichte, ihre Zusammensetzung nach Alter und Geschlecht) von Bedeutung.
- Eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft bietet auf Grund ihrer Mitgliederzahl und ihres Gesamtzustandes erst dann die Gewähr dauerhafter Stabilität, wenn sie sich im allgemeinen Rechtsleben des Landes als gefügte Organisation zeitlich bewährt hat, d. h. über einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren.
- Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Körperschaftsstatus der Jehovas Zeugen vom 19. Dezember 2000 darüber hinaus erklärt, dass die Verleihung der Körperschaftsrechte ein rechtstreues Verhalten der antragstellenden Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft voraussetzt.
Ein Beispiel: In Hessen, mit einer Einwohnerzahl von 6.063.000. (Stand 31. Mai 2010) müssten sich ca. 6063 Neuheiden unter einer Flagge zusammentun und als Glaubensgemeinschaft 30 Jahre lang bestehen um einen entsprechenden Antrag stellen zu können.
Eine Liste der in Berlin als Körperschaft anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften findet sich hier.
* Dieser Teil wurde bis auf das Beispiel in Kursiv fast 1:1 von der Quelle Berlin.de übernommen um durch Paraphrasierung den Rechtsinhalt nicht zu verfälschen.
Law and Church ist ein englischsprachiger Artikel, der ebenfalls die Rechtslage für Deutschland klarstellt.
Links von Interesse:
Remid Statistik: Religionen in Deutschland (auch einige heidnische Gruppierungen treten hier auf)
Remid: Wer zählt was? Statistiken aller Religionen und ihre Probleme
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