Etwas Aufruhr herrscht gerade unter einigen deutschen Heiden. Der Stein des Anstoßes ist eine Statue, welche die Zerstörung der heiligen Eiche der Chatten und den Aufbau einer Kapelle darauf zeigt.

Die Chatten sind ein Germanisches Volk mit keltischer „Kulturschicht“. Der Kleriker Bonifatius erreichte im 8.Jahrhundert mit seiner Missionsexpedition (einem Tross von Handwerkern und Kriegern zum Bau von Klöstern) den heutigen Chattengau. Unter dem Schutz fränkischer Soldaten ließ er die dem „Jupiter“ geweihte Eiche fällen. Durch diesen Akt wurde das heute als „Donareiche“ bekannte und wichtige Heiligtum zerstört.

Um die Bedeutung dieser Fällung als Nichtheide zu begreifen, muss man diesen Akt mit einer Kirchenzerstörung vergleichen.  

Die Legende besagt, dass aus dem Holz der Eiche die erste Zelle der Kapelle errichtet wurde, die später zu einem Kloster ausgebaut wurde. Darum herum entstand dann die Siedlung Friedeslar, Fritzlar. Vorher gehörte das Gebiet zur „Gemarkung“ und wahrscheinlich dem Ort Geismar.

Fritzlar ist heute ein ansehnliches, romantisches mittelalterliches Städtchen. Bonifatius gehört Identitätsstiftend für die regionale Bevölkerung dazu und natürlich ist den meisten Einwohnern ihre Gründungsgeschichte bekannt. Als interessantes Merkmal herrscht in Fritzlar seit mehreren Jahren die CDU, während die restliche Umgebung SPD geprägt ist. Auch mehrere größere freikirchliche Gemeinden haben ihren Platz im Umkreis gefunden und die Christliche Bildungsstätte des freikirchlichen Bundes der Gemeinde Gottes, bildet in Fritzlar ihre Pfarrer aus.

1998 feierte die Stadt ihr 1275 jähriges Bestehen. Der Kulturverein Fritzlar e. V. beauftragte anlässlich dieses Jubiläums den Stuttgarter Bildhauer Uddo Enninga zum Bau einer Statue. 1999 wurde die Bronzeplastik  mit Vergoldung am 5. Juni, dem Tag des Bonifatius, auf dem Domplatz enthüllt.

Bonifatius ist ein Heiliger der katholischen Christen und es gibt viele Statuen und Bilder die ihn Darstellen. An seinem 1250. Todestag im Juni 2004 wurde in Fulda „Bonifatius – Das Musical“ Uraufgeführt, das bis 2010 an unterschiedlichen Orten gespielt wurde. Nach ihm wurde auch der Winfried-Preis benannt, eine Ehrung der Völkerverständigung und Frieden. 2004 wurde der Pilgerweg „Bonifatiusweg“ gestaltet. Eine Gedenktafel an ihn steht in der „Walhalla“ bei Regensburg.

Warum also der Wirbel um eine 1999 aufgestellte Statue? Warum kein Aufstand wegen dem Pilgerweg 2004? Oder des Musicals 2010? Oder das ein Preis der Völkerverständigung und des Friedens nach ihm benannt wurde?

Vielleicht hat man einfach nichts davon mitgekriegt.

Nebst einer Person die es bemerkt, braucht es auch mindestens einen Menschen mit einem leidenschaftlichen Herzen, den Mut und der Tatkraft etwas umzusetzen und einem Sendungsbewusstsein. Jemand der bekannt genug ist, dass andere Zuhören. So ein Mensch, in der Person des heidnischen Künstlers Voenix, besuchte Fritzlar 2005 (ein Jahr nach dem „Bonifatius-Jahr“). Als er die Statue sah, fühlte er sich „wie vom Blitz getroffen“ – „Ich war verletzt, zornig und traurig zugleich.“

2012 kam es daher zur ersten Versammlung der Heiden bei der Bonifatiusstatue, um zu zeigen, dass es „uns“ noch gibt. Uns, das sind jene die einer heutigen Form des Kosmostheismus, allgemein Naturreligion oder Heidentum folgen. Nach der ersten Versammlung, folgt nun 2014 eine nächste. An diese ist sogar eine Unterschriftenaktion mit dem Wunsch einer Gedenktafel geknüpft. Einzelne Stimmen sprechen in Foren und Kommentare ganz offen darüber, dass man ihrer Meinung nach diese „Gewaltverherrlichung“ abreißen solle, die Statue demontieren.

Warum löst diese Statue des „Stadtgründers“ und der „Stadtgründung“ so heftige Gefühle in uns aus? Warum diese und nicht eine andere Statue, oder das Musical? Meine eigene erste Begegnung mit der Statue hätte ich mit den gleichen Worten beschreiben können wie Voenix es tat. Die Statue trifft bei vielen Heiden einen Nerv.

Die Frage nach dem Warum beschäftigte mich bis sich und eine Vermutung formte. Ich weiß nicht ob sie zutrifft, vielleicht bildet sie nur ein marginal bewusstes Momentum im Gesamtbild, aber sie klingt zumindest schlüssig.
Die anderen Bilder des Bonifatius zeigen ihn beim Fällen der heiligen Eiche, wie er getötet wird, am häufigsten aber mit Bischoffsstab, Bibel und Kreuz, manche Bilder mit Axt.

Nicht diese Plastik. Sie zeigt einen großen Mann (der Bonifatius wirklich war) der mit großer Selbstsicherheit gerade über den Baumstumpf einer sehr dicken Eiche läuft. Vor ihm auf der Eiche befindet sich eine abgebrochen („Jupiter-“?) Säule. In der einen Hand hält er eine Axt, in der Anderen eine Miniaturkappelle. Goldadern scheinen vom Baumstumpf zur Kapelle zu wachsen als wollten sie zeigen, wie aus dem Holz dieser Eiche, die erste Zelle zum Kloster in Fritzlar gebaut worden ist.

Die Statue zeigt perfekt den Moment der Stadtgründung aus dem Holz der heiligen Eiche.
Der Künstler selbst schreibt, dass im Mittelpunkt seines Werkes der Mensch steht (Bonifatius). Und weiterhin beschreibt er „…die verborgenen Kräfte des Erschaffens und der Zerstörung zu offenbaren ohne dabei selbst Schaden zu nehmen die ist sein Tun…“

Aus heidnischer Sicht zeigt sie aber noch viel mehr: Den „Triumph“ der Christianisierung und christlichen Mission.

Müsste ich ein Bild als Symbol für die Christianisierung wählen, so würde ich heute tatsächlich diese Statue wählen.

Bonifatius, symbolisch für die Missionare steht auf einem zerstörten Heiligtum der vor-christlichen Religionen an dessen Stelle nun eine Kirche steht.

Dies ist die knallharte historische Realität, dass „unsere“ Tempel geschändet, „unsere“ Götter zu Götzen, „unsere“ Kultorte zu Kirchen wurden. Die Realität, dass wir keine öffentlichen Orte haben (und ich meine jetzt Tempel, Versammlungsorte, heilige Bezirke, sichtbare Kultstätten etc.), an denen wir unsere Götter verehren können. Keine Gedenktafel erinnert an die zerstörten Stätten unserer Vorgänger, oder an die Kulturen die die alten Götter verehrten.

Jeder Heide kennt diesen Teil der Geschichte und identifiziert sich in unterschiedlichem Maße mit dieser Vergangenheit. Eine Reaktion ist häufig: Die emotionale begleitet von Wut und Trauer – und jeder weiß wie viel einfacher es ist wütend zu sein als traurig.  

Der Impuls auf diesem Symbol der Christianisierung ein Schild mit „Wir verurteilen diese Tat“ hängen zu wollen, so dass wir es endlich in die Welt hinausschreien können das wir noch da sind, das wir gehört werden wollen, das wir auch anerkannt sein wollen ist ganz natürlich – Für uns.

Das Problem ist, dass wir nicht verstanden werden. Und je emotionaler wir werden, desto mehr Kopfschütteln kommt von der andersgläubigen Mehrheit der Bevölkerung, die meist bis vor kurzem so gar nichts von uns wusste. Die nicht begreift, warum ausgerechnet diese eine Statue in Fritzlar mit dem Stadtgründer und der historischen Stadtgründung so viel Tohuwabohu auslöst und als „Glorifzierung eines Gewaltaktes“ angesehen wird.

Aber ist es wirklich eine Glorifizierung?

Die historische Stadtgründung von Fritzlar begann mit der Zerstörung eines chattischen Heiligtums. Und das stellt die Statue sehr gut dar.  Genauso stellt sie damit aber auch die Christianisierung als historische Realität dar. Und vielleicht ist es sogar gut eine Statue zu haben, die auf diese Weise die historische Realität symbolisiert. Ich sehe mich in ein paar Jahren mit meinen Kindern sie betrachten und ihnen die Christianisierung erklären.

Miteinander in eine friedliche Zukunft heißt auch, dass die historische Realität und die Stadtgründung so bleiben darf wie sie nun mal historisch gewesen ist. Es heißt aber auch, dass WIR, Heiden einen Platz finden dürfen und das der vergangenen Kultur auf deren Zerstörung die Stadtgründung ruht auch gedenkt werden darf und sollte. Was für eine Völkerverständigung (siehe Winfriedpreis) wäre das denn sonst? Die Statue stellt eine historische Realität dar, die für mich zwar schmerzhaft ist, aber nun mal der Wahrheit entspricht. Genauso wahr ist es aber auch, dass dies auf Kosten einer anderen Kultur geschah, einer mit der ich und viele andere sich identifizieren und es ist genauso anständig und notwendig dieser zu Gedenken.

In dieser Hinsicht sind die Ziele der Versammlung im Sommer zu zeigen das es "uns" die Erben der vorchristlichen Kulte, die Neuheiden und Naturspirituelle (noch) gibt, das wir selbst freundschaftliche Verbindungen untereinander pflegen und Werbung für eine Gedentafel zu machen, wo der Kultur die weichen musste gedenkt wird.

Die Statue zeigt noch etwas und sogar ausgerechnet in Gold: Eine Verbindung zwischen dem Baumstumpf und der Kapelle, ein Kraftstrom der sogar darüber hinaus fließt. Es sieht aus wie gewachsen aus dem Baumstumpf. Die Kraft der Erschaffung? Oder ein Bewusstsein dafür, dass die Kirche einen Teil der alten Religion aufnehmen musste und weiter getragen hat, bis dieser in der Renaissance die ersten vorsichtigen Keime brachte und in der Romantik wieder anfing zu fliegen, bis heute die Erben wiederkommen und anfangen einzufordern was einst selbstverständlich war: Das unterschiedliche Religionen nebeneinander gleichwertig koexistieren, weg von einer „richtigen“ und „falschen“ Religion. Wir sind die Kosmotheisten, jene die in der Lage sein sollten mehrere Religionen zu haben und mehrere Götter nebeneinander als wahr und richtig zu akzeptieren. 

DAS ist unsere Stärke, und wir sollten uns als würdige Erben dieses Gedankens zeigen.  


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Weitre Informationen über die Versammlugn in Fritzlar im Juni 2014 

Zur Petition für eine Gedenktafel

Videobotschaft von Voenix und Christian Kordas zur Veranstaltung.

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