Die Angst der Männer vor den starken Frauen am Beispiel der griechischen Mythologie.
Die Männer der Antike waren von einer weitverbreiteten Krankheit befallen: Sie litten unter der Angst vor dem unbekannten Wesen "Frau". Doch anstatt sich mit ihm anzufreunden oder es kennenzulernen, ' versuchten sie, die Frauen in ein schematisiertes und männlichen Vorstellungen angepaßtes Bild zu pressen. Wenn man sich die Mythen der olympischen Götter ansieht, springen einem die Symptome dieser Phobie sofort entgegen.
Es beginnt mit der Göttin Gaia, der Erde, die aus dem Chaos durch die immer bestehende Liebe entstand, die alles andere aus sich selbst heraus erschuf, was natürlich Teil eines früheren Fruchtbarkeitskults war. Gaia überredet später ihren Sohn Kronos, seinen Vater, ihren Gatten Uranos, zu stürzen, was durch dessen Entmannung auch geschah.. Der Tod des alten Königs für den neuen König, der Tod des alten Gottes für den neuen – die Ähnlichkeit zum naturreligiösen Glaubensbild ist unübersehbar. Hier kommen wir zu einer der Urängste von Männern: Durch Impotenz verlieren sie ihre Männlichkeit, ihre scheinbare Macht - vergleichbar mit einem Tod. Später stürzt Gaia zusammen mit ihrem Enkel Zeus und seiner Mutter Rhea, die auch die Gattin des Kronos ist, den neuen Herrscher (Kronos). Interessant dabei, dass automatisch immer ein Mann die Herrschaft übernimmt, obwohl ihm immer eine Frau helfen muss. So kommt man zu dem alten Ritual der Krönung des Herrschers durch die Frau, die Legitimation der Krone durch die Königin - so hat eigentlich sie die Macht inne, denn nur durch sie wird er zum Herrscher.
Zeus setzt den Entmachtungen durch Gattin und Sohn ein Ende. Er erschafft den Olymp: die Männerdomäne ist da. Ursprünglich bestanden die Hauptgötter des Olymps aus sechs Göttern und sechs Göttinnen. Die magische Zahl zwölf und ein Gleichgewicht der Kräfte ist gegeben. Demeter, die Göttin des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit (symbolisch für den Frühling) wurde später durch einen siebten männlichen Gott, Dionysos, Herrscher des Weins und des Überflusses (und der Orgien) ersetzt. Es kommt zu einer Domination der Männer. Nun wurde den Frauen sogar der Alleinanspruch auf die Mutterschaft streitig gemacht, da z.B. Athene ja aus dem Haupte des Zeus entsprungen war und Dionysos aus seinem Oberschenkel. Wieder eine Angst der Männer, denn nur Frauen können Leben gebären;
Mit dieser Schwächung ihrer Macht scheinen sie ein Probleme zu haben. Wie in der Bibel ist es auch eine Frau, die die Menschen in Versuchung führt und ihnen das Unglück bringt. Die Griechen nennen sie nur an Stelle von Eva Pandora. (Böse Zungen sollen ja sogar behaupten, dass dieser Mythos nur auf Hesiods bekannter Antipathie gegenüber den Frauen beruht.) Natürlich gab es auch andere, wie Platon, der einsieht, dass es wichtig ist, Frauen mit einzubeziehen. In seinem Idealstaat beschreibt er, dass auch Freuen ausgebildet werden sollten, da ein Krieger ja auch nicht nur seinen rechten Arm ausbildet. Im klassischen Altertum gab es nun also auf dem Olymp nur noch fünf bedeutende Göttinnen:
Athena, Artemis, Aphrodite, Hestia und Hera.
Diese Göttinnen kann man als weibliche Archetypen betrachten, sie unterscheiden sich in ihren Funktionen, Darstellungen und Beziehungen zu Sterblichen und Unsterblichen grundlegend - oder doch nicht ganz?
Athena ist eindeutig die am meisten gepriesene weibliche Gottheit. Trotzdem ist sie eher der Archetyp der maskulinen Frau, die ihre Weiblichkeit und ihre Sexualität verleugnet und in einer von Männern bestimmten Welt Erfolg hat. Sie ist die Göttin des Krieges - der schlauen Kriegsführung, aber auch der Künste und Wissenschaften, was damals aber eher Männern vorbehalten war. Athena wurde als Jungfrau von einem Mann geboren, sie ist der lebende Beweis dafür, dass der Vater der eigentliche Elternteil eines Kindes ist. (Was noch dadurch unterstrichen wird, das eine Frau früher ihren Mann um Erlaubnis bitten musste, ein weibliches Kind behalten zu dürfen.) Aber auch die Aufgaben einer Frau, wie Spinnen und Weben, werden ihr zugeschrieben, was wieder einmal beweist, dass die Männer ihren Göttinnen unbedingt typisch "weibliche" Attribute auferlegen wollten, koste es, was es wolle. Interessant ist hier auch, dass der gute alte Freud Athena wohl aus einem seiner "Komplexe" heraus sieht: Gemäss der freudschen psychoanalytischen Theorie wurde das Verhalten von Frauen wie folgt interpretiert: "Eine Frau, die etwas leisten kann und selbstsicher auftritt, die im Leben etwas erreicht und es zu genießen scheint, dass sie die Möglichkeit hat, ihre Intelligenz und ihre Fähigkeiten zu verwirklichen, legt einen "Männlichkeitskomplex" an den Tag. Sie handelt in der irrigen Annahme, sie sei nicht kastriert worden, wo dies doch eindeutig der Fall gewesen ist. In Tat und Wahrheit will keine Frau sich in irgendeiner Form auszeichnen - das Bedürfnis dazu ist ein Symptom für eine Männlichkeitskomplex, eine Verleugnung der "Realität"." (So angeblich viel Freud für die Psychoanalyse auch getan haben mag Errare humanum est! - Irren ist menschlich).
Artemis ist wohl jene Göttin, die ihre Integrität am ehesten beibehalten konnte. Sie ist die jungfräuliche Göttin der Jagd und Beschützerin der Kinder. Allerdings wurde auch ihr etwas patriarchalisches angehängt: Die jungen Mädchen, die noch als wilde Bärinnen bezeichnet werden, gehen ausgerechnet in das Heiligtum der Artemis, um "gezähmt" zu werden! Ein Gegensatz, der sich zwar mit der Begründung, dies geschehe zum "Schutz" der Mädchen erklären läßt, trotzdem aber einen Widerspruch zur Natur der Göttin bildet. Es scheint hier eine Angst versteckt zu sein, vor Frauen, die alleine in der Gesellschaft aufrecht stehen können.
Die letzte Jungfrau auf dem Olymp ist Hestia, eine Schwester des Zeus. Sie wird in den Mythen fast nicht erwähnt, obwohl sie als Göttin des Herdfeuers eine große Rolle spielt. Sie wird interessanterweise meist als alte Frau dargestellt, aber darauf kommen wir später noch einmal zu sprechen.
Aphrodite, die Göttin der Liebe, wurde ebenfalls nicht auf die "normale" Art und Weise geboren, sondern aus dem Schaum des Meeres, der sich um die abgeschnittenen Genitalien des Himmelsgottes Uranos herum angesammelt hat. Und wieder kommen wir zum selben Palaver wie bei der Geburt der Athene. Bei Aphrodite merkt man, wie sehr sich die Männer vor den Verführungskünsten der Frauen fürchten. Aphrodite scheint einen sehr leichtfertigen und trügerischen Charakter zu haben, der dem Anschein nach sehr mit ihren sexuellen Eigenschaften verbunden ist. Die voll entwickelte weibliche Sexualität macht Männer oft unsicher, während sie sich bei Jungfrauen sicher fühlen. All jene Frauen, die den Männern freundschaftlich beistanden, waren in der Mythologie Jungfrauen. Die sexuell aktive Göttin ist die Hexe, die Böse, die selten den Männern hilft, sie lieber stattdessen verführt und dann ins Unglück stürzt, wie man bei Kalypso, Kirke, den Harpyien und den Sirenen sehen kann. Man sieht das auch bei Pandora und bei der schönen Helena, die als Sündenbock für den Trojanischen Krieg herhalten muss.
Hera war die verheiratete Göttin, Behüterin der Familie, die wie die griechische Frau zusehen musste, wie ihr Mann konstant fremd ging, wo sie hingegen treu bleiben musste. Als Zeus Athene zeugte, versuchte sie zornig, ohne männliche Mitwirkung einen Sohn zu zeugen. Was entstand war Hephaistos, eine krüppelige Spottfiguer - böse ausgedrückt. Hera verfolgte auch immer auf gefährliche Weise die Geliebten ihres Gatten und deren Nachkommen. Ihre eigene Ehe war ein Dauerkrieg.
Unter den männlichen Göttern gab es keine Keuschheit, auch Ehebruch und Vergewaltigung erregten nie Anstoß. So verwandelte sich Zeus u.a. in einen Stier, einen Schwan oder in Regen, um an die gewünschte Frau zu kommen. In Verbindungen der Götter mit sterblichen Frauen gibt es den rein beschützenden Typ nicht. Die meisten Beziehungen führen zu einem sexuelle Kontakt und danach oft zu einem Leidensweg oder gar zum Tod der Frau. Apollon, der sonst immer wegen seiner Vernunft und Mäßigung gerühmt wird, verliert diese Qualitäten, sobald er von Frauen abgewiesen wird. Kassandra, die Seherin, wird so bestraft, dass niemand ihren Prophezeiungen glauben schenkt. Und merkwürdigerweise schickt er Artemis, um die untreue Koronis zu töten. Wieder ein Widerspruch, der vielleicht nur eingefädelt worden ist. Sterbliche Frauen, die sich gegen die Männer behaupteten, wie die Amazonen und Atalante, erlagen früher oder später entweder der Heirat oder dem Tod. Eigentlich könnte dieser Bericht hier zu Ende sein, aber während ich dies schrieb ist mir eine Interessante Parallele aufgefallen:
Nehmen wir die drei weiblichen Gottheiten, die ihre Jungfräulichkeit beibehielten: Artemis, Athena und Hestia. Im Grunde genommen zeigen sie wichtige Merkmale der Dreifachen Göttin auf. Allerdings haben sie sich nie auf eine monogame Ehe eingelassen. Vor allem Athen pflegte sehr "freundschaftliche" Beziehungen zu Männern. Näher liegt, dass diese Gottheiten mehrere Geliebte gehabt haben. Von einer Gesellschaft, die sich den Verlust der Jungfernschaft nur in einer anerkannten Verbindung wie der ehe vorstellen kann, würden Göttinnen schlichtweg nicht akzeptiert. So ist es logischer, sie sich als ewige Jungfrauen vorzustellt. Nimmt man aber zu jenen drei Göttinnen, die hervortretendsten männlichen Gottheiten, so sind das Apollon und Zeus. In vielen heidnischen Religionen betet man zu einer Göttin, die sich einem in drei Gestalten offenbaren kann Als Mädchen (Artemis), Frau (Athena) und Alte (Hestia). Die männliche Gottheit taucht meist nur in zwei Gestalten auf: als Himmel und Erde. Zeus regiert den Himmel und und bevor Apollon zum Sonnengott erhoben wurde, war er ein erdverbunderner Gott der Unterwelt. In seinem Heiligtum zu Delphi, saß die Pythia (die Seherin des Orakels) über einer Erdspalte und atmete die daraus emporsteigenden Dämpfe ein.
Meiner Meinung nach kann man hier einen roten Faden zu den heute als "heidnisch" bekannten Naturreligionen ziehen. Aber vielleicht handelt es sich auch nur um ein "ziehen wollen" da jemand einmal so schön bemerkt hat, man findet immer Beweise für etwas, was man Beweisen will.....
© by Ishtar (Samhain 2001) at sternenkreis / erschienen in der Hex & Co. Ausgabe 3/ Samhain 2001 geschrieben 1996