Viele viele Decken später waren wir erstmal fertig, Plane drüber gegen den Dauerregen dieses Tages, dann erstmal zurück ins Haus und uns körperlich stärken. Viel erzählten die beiden ja noch nicht im Voraus, das würde alles später kommen.
Die Hütte sah aus wie ein Iglu, nur ohne Eis. Rund, relativ groß, mit einem tiefen Loch in der Mitte für die Steine, und einer kleinen Öffnung gen Osten als Tür. Als wir gegen Abend zurückkehrten, bauten wir das Feuer auf. Zunächst ein Bett aus großen Balken für die Steine; danach legte jede(r) von uns abwechselnd Stein um Stein mit unseren Wünschen auf das Bett aus Holzscheiten, bis 44 Steine dort lagen. Danach wurde mehr Holz um und über die Steine aufgeschichtet, bis ein wirklich großes Lagerfeuer vor uns erstand.
Danach weihten die Frauen die Hütte ein mit Räucherung, Gesang und guten Wünschen für die Nacht, während die zwei (!) teilnehmenden Männer und der Feuerhüter draußen das Ihrige für das Feuer taten. Im strömenden Regen wurde sodann das Feuer angezündet (wie hat man das früher ohne Plastikplanen geschafft?) und das Warten konnte beginnen.. auf die Dunkelheit, auf die glühenden Steine, auf das Schwitzen in der Hütte.
Die Gesprächsthemen in der kleinen Runde waren vielfältig, die Treffpunkte weniger: warm am Feuer und nass von oben, oder relativ trocken unter den Bäumen und kalt. Ein Kreis-Lauf entstand.. endlich dann gab der Leiter das Zeichen zum Beginn. Die Schwitzhüttenzeremonie ist ein Geburtsprozess und daher – und weil es sich so leichter schwitzt – packten wir unsere Kleider in die Kisten und stellten uns in der vorher gewählten Reihenfolge auf, damit jede(r) nachher in der für ihn richtigen Richtung sitzen würde. Nach der Räucherung krochen wir eine(r) nach den anderen in die Höhle und nahmen unsere Plätze rund um das Feuerloch ein.
Der Feuerhüter reichte dann einen Stein nach dem anderen zur noch offenen Tür herein, wo sie der Leiter übernahm und sorgfältig in das Feuerloch legte. Jeder Stein wurde von uns begrüßt und vom Leiter mit einer kleinen Räucherung versehen. Als es genug war, wurde die Tür geschlossen und die noch angenehm warme Dunkelheit empfing uns.
Wir hatten gute Arbeit geleistet mit den Decken, es war nichts zu sehen außer den rot glühenden Steinen. Die Arbeit begann, als der Leiter Wasser auf die Steine gab und der Dampf und die Hitze zum ersten Mal zu uns aufstiegen.
Panik hatte mich schon am Anfang erfasst, als die Tür noch offen war. Am liebsten wäre ich aus der Hütte geflohen, hätten mich nicht die anderen Teilnehmer mit guten Worten und dem Gefühl der Gemeinschaft gehalten und getragen. Ich konnte mich beruhigen und weitermachen, dafür bin ich ihnen sehr dankbar!
Andere schafften es nicht und verließen die Hütte in der ersten, zweiten, oder dritten Runde. Manche ließen sich wie ich von der Gemeinschaft halten, andere konnten auch das nicht mehr ertragen.
Die erste Runde, hatte uns der Leiter vorab gesagt, ist die längste und schwerste. Wer sie übersteht, schafft auch den Rest. Daran habe ich mich geklammert und daran, dass man die Hitze nicht bekämpfen soll, sonst wird es nur schlimmer, sondern sie annehmen und sich von ihr tragen lassen soll. Das wollte ich tun und es ist mir auch gelungen. Einfach aber war es wirklich nicht! Die erste Runde habe ich wohl nur dank meiner Partnerin überstanden, die mich fest in ihren Armen hielt und mir Trost und Kraft spendete. Aber als die Runde vorüber war, blieb ich in der Hütte – ich ging nicht einmal hinaus, um mich abzukühlen, wie es möglich war. Wasserflaschen wurden herumgereicht, ein paar Schluck nur reichten aus. Nach wenigen Minuten kehrten die abgekühlten Teilnehmer zurück und neue Steine kamen hinzu. Die Tür schloss sich und die zweite Runde begann.
Viel besser schon, mein Körper hatte die Hitze akzeptiert und der Schweiß floss in Strömen, aber Herz und Kopf blieben ruhig. Auch mein Kreislauf, der mir zuvor Sorgen gemacht hatte, blieb stabil, die ganze Nacht lang. In der nächsten Pause ging ich zum ersten Mal wieder nach draußen und legte mich ins Gras, es war herrlich, aber ich bin auch gerne wieder „im Namen meiner Verwandten“ zurückgekehrt in die Hütte für die dritte Runde, für mich der Höhepunkt des Abends. Ich wurde eins mit dem Feuer und der Hitze, begrüßte die aufsteigende Hitze regelrecht, es war ein wunderbares Gefühl, auch heute noch in der Erinnerung. Diese Momente waren es, warum ich dort war, und warum ich wieder hingehen werde.
Die vierte Runde war nur noch heiß, wahnsinnig heiß. Und dann war es vorbei und wir lagen alle im Gras, verschwitzt und glücklich.
Die zweite und dritte Runde kann ich in der Erinnerung nicht mehr trennen, eine Entwicklung begann in der zweiten und endete in der dritten. Körperlich war die Hütte zwar anstrengend, aber nicht mehr als ein guter Work-Out im Fitness-Center. Geistig war das eine ganz andere Sache für mich. Doch auch hier waren die Teilnehmer unterschiedlich und viele empfanden die Hütte als starke körperliche Belastung. Ich bin unsportlich und vermeide es sonst, ins Schwitzen zu kommen. Daran lag es also nicht – wohl eher an dem, was die Hütte in mir in Bewegung brachte. Das wird mich noch lange begleiten, bewusst – und vor allem natürlich unbewusst, da bin ich mir sicher.
Nachtrag und „technische“ Details:
Bei der von mir erlebten und hierin beschriebenen Schwitzhütte handelt es sich nicht um eine “traditionelle Schwitzhütte”, wie sie die amerikanischen Indianer verwenden. Vicky Gabriel und William Anderson, die zu dieser Schwitzhütte eingeladen hatten, versuchen auf Basis ausgewählter Vorstellungen der Indianer und den wenigen historischen Nachweisen vergleichbarer Traditionen hier in Europa eine neue Grundlage für eine europäische Tradition zu erschaffen.
Der Ablauf der Runden war wie folgt:
In der ersten Runde werden die einzelnen Himmelsrichtungen eingeladen und begrüßt. Basis dafür ist das Medizinrad, das gleichzeitig den Schöpfungsmythos darstellt. Nach der Begrüßung folgen reihum die Gebete für uns selbst. Gebetet wird laut, damit die Energie frei gesetzt werden kann und der von den Steinen aufsteigende Dampf diese Energie mit hinaus nimmt in das Universum, wo sie unsere Realität verändern kann.
In der zweiten Runde beten wir dann für andere.
Das besondere an der dritten Runde ist das „abgeben“. Hier geben wir all die Dinge ab, die uns davon abhalten, ein erfülltes Leben zu leben. Um wirkungsvoll zu sein, muss das abzugebende Problem detailliert benannt werden, z.B. „Ich gebe ab die Angst, in meiner Beziehung verletzt zu werden“.
In der vierten und letzten Runde schließlich fügen wir das Universum wieder neu zusammen, in das wir dann wiedergeboren werden.
Mein Dank an Vicky und William für die Einladung und das Erlebnis dieser Schwitzhütte und dafür, das ich darüber berichten durfte. Wer sich für das Thema interessiert, dem sei gesagt, dass ein Buch der beiden darüber in Arbeit ist.
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