Der Kult der Erdenmutter als Jungfrau
Frei aus: Edward Carpenter: Pagan and Christian Creeds: their origin and meaning.-.A Public Domain Book, Kindle Edition,
Übersetzung: Maja Mosch

Die Verehrung einer Erdenmutter ist uralt und viele von uns kennen die kleinen
Kultstatuen der „Venus von Willendorf“ und anderer Fundstätten. In alten Zeiten kannte
man nur seine Mutter mit Sicherheit, die Verbindung des Vaters zum Kind war
unbekannt. Die Aborigenes glaubten zum Beispiel, dass die Erschaffung eines Kindes
unabhängig vom Sex geschah, und somit nur eine Sache der Frau war. Die enge
Beziehung zur Mutter, ja die Abhängigkeit der ersten Jahre, gaben der Mutter einen
Göttinnen-gleichen Status, man sah eine Verbindung zur Erde, die alles erhält und
Nahrung spendet, aber auch grausam sein kann und launisch. Auch die Natur hatte in
den Augen der frühen Menschen keinen männlichen Gegenpart der sie befruchtet, sie ist
eine Jungfrau. Nicht, weil sie unberührt ist, sondern weil sie unabhängig und aus sich
selbst heraus Leben erschafft.


Diese jungfräuliche Göttin lebte dann weiter als ägyptische Isis, als nordische Hertha, als
griechische Gaia, als indische Maia, und und und. Die Erde war in diesen alten Kulten
die mysthische Quelle des Lebens, der im Gegenzug Leben aller Art geopfert wurde.
Dies war einer der ersten und einfachsten Kulte der Menschheitsgeschichte.
Ein interessanter Aspekt ist die Häufigkeit der schwarzen Jungfrau. Nicht nur die
indische Göttin Devaki und die ägyptische Isis werden schwarzhäutig dargestellt, was
uns bei ihnen nicht verwundert, auch in Gebieten wie Italien gibt es viele schwarze
Madonnen, was hier nun nicht so einfach zu erklären ist. Es ist schwer, diese nicht als
alte heidnische Erdgöttinnen (schwarze Haut, da die Erde schwarzbraun ist?) zu
betrachten, die im christlichen Deckmantel den Menschen zur Seite stehen.


Der Körper der Göttin
Frei aus: Shahrukh Husain: Die Göttin: Das Matriarchat, Mythen und Archetypen, Schöpfung, Fruchtbarkeit und
Überfluss.-.Taschen GmbH, Köln, 2001. S. 54.

Immer wieder wird vermutet, dass die alten Völker in der Landschaft den Körper der
Göttin sahen, Hügel und Bergketten als Brüste und Schenkel wahrnahmen. So soll der
um 2600 v. u. Z. errichtete Silbury Hill in Wiltshire, England, laut Michael Dames („The
Silbury Treasure“, 1976) nicht etwa ein Begräbnishügel für einen Häuptling sein, sondern
die in die Landschaft geformte Göttin selbst, mit dem Hügel als ihren schwangeren
Bauch. Dabei ist auch anzumerken, dass doch beides möglich wäre, denn im Gedanken
der Wiedergeburt ist es doch logisch, dass ein gestorbener Häuptling dorthin
zurückkehrt, von wo er einst wiederkommen wird: in den Leib der Göttin.
Ein typisches Motiv der Mythologie ist die Erschaffung der Erde aus den Körperteilen
eines großen, meist göttlichen Wesens. In Tibet kennt man die Sage von Klu-rgyal-mo,
die aus ihrem Schädel den Himmel formte, aus ihrem Fleisch die Erde. Ihre Knochen
wurden zu Bergen, ihr Blut füllte die Meere, ihre Adern wurden zu Flüssen. „Ihre Augen
riefen das Licht und die vier Planeten hervor, der Mond bildete sich aus ihren
Vorderzähnen. Donner, Blitz und Wolken entstanden aus ihrer Stimme, der Zunge und
den Tränen, Hagelstürme und Winde aus Nasenlöchern und Zunge.“


Die keltische Mutter Danu
Bevor die Kelten im ersten Jahrhundert unserer Zeit durch Europa wanderten siedelten
sie an der Donau, die ihren Namen von der obersten Göttin Danu erhielt. Als sie dann
Richtung Großbritannien wanderten, nahmen sie ihre Götter mit sich, und so gibt es
heute den River Don in Yorkshire und Durham, in Frankreich und Schottland. Die
irische Form „Danu“ bedeutet „schnelles Fließen“. Eine ähnliche Form der Verehrung
eines Flusses kennen wir aus heutiger Zeit von der „Mutter Ganga“, dem Ganges in
Indien, dessen Quelle heilig ist und in dem Jahr für Jahr Millionen von Pilgern baden.
Auch für den Rhein gibt es Nachweise einer Verehrung: Der keltische Stammesfürst
Viridomar (Viridomarus), der 222 v. Chr. gegen Rom kämpfte, nannte sich selbst „Sohn
des Rheins“ [Ellis, 128].

Dies zeigt uns, dass die Kelten eher die lokalen Gewässer als göttlich betrachteten, als die
ganze Landschaft. Der Fluss, an dem sie lebten, war ihre Göttin, die Mutter ihres
Stammes. Dies waren die Fruchtwasser des Lebens, aus denen sie kamen,
wiedergespiegelt im himmlischen Fluss der Milchstraße [Corrigan].


Die Namen der Erdenmutter
Es lässt sich beobachten, dass auch in heutiger Zeit einem Land bestimmte Figuren
zugeordnet werden, die eine mütterliche Funktion haben, so zum Beispiel Erin für
Irland (die auch in der Mythologie eine Verbindung hat), die Freiheitsstatue für die USA,
oder Scotia für Schottland. Vielleicht war auch die Elbe einst eine heilige Göttin? Es gibt
zumindest Belege, dass ihr zu Mittsommer Strohpuppen geopfert wurden, um sie gütig
zu stimmen [Göttner-Abendroth].

In Deutschland bekannte Erdgöttinnen sind Hertha, Bertha, Holle, Hel, Huldre oder
Percht. Die Namen der Erdgöttinnen finden sich wieder in alten Städte- und
Straßennamen: Holland, Helsinki, Perchtoldsdorf, Berchtesgarden, Hollabrunn, die Stadt
Perg, deren Wappen sogar die drei Farben der Göttin (schwarz, weiß, rot) zeigt. Ihr Ort
sind die Berge, aus denen sie in den Rauhnächten herabkommt, um nach dem Rechten
zu sehen. Ein bekannter Brauch sind im Alpenraum die Perchtenläufe. Aus Österreich ist
eine Triade von Erdgöttinnen bekannt: die drei Bethen Ambeth, Wilbeth und Borbeth,
die angeblich im Königreich Norricum verehrt wurden. Sie werden Erde, Sonne und
Mond zugeordnet [frauenwissen.at].


Quellen
Shahrukh Husain: Die Göttin: Das Matriarchat, Mythen und Archetypen, Schöpfung,
fruchtbarkeit und Überfluss.-.Taschen GmbH, Köln, 2001.
Edward Carpenter: Pagan and Christian Creeds: their origin and meaning.-.A Public
Domain Book, Kindle Edition.
Peter Beresford Ellis: Die Druiden: Von der Weisheit der Kelten.-. Eugen Diederichs
Verlag, München, 1996, S. 128f.
https://www.adf.org/articles/cosmology/primary-division.html, Ian Corrigan: Exploring
Celtia: The Primary Division, 22.05.2013, 11:34
Göttner-Abendroth, Heide: Die mythologische Landschaft Deutschlands.-. Edition
Amalia, 1999.
https://www.frauenwissen.at/goettinnenlexikon.php, 22.05.2013, 12:32

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